piwik no script img

Probleme beim Weser-KurierStammes-Krieg im Pressehaus

Der Vertrag des "Weser Kurier"-Geschäftsführers Ulrich Hackmack ist "nichtig", bestätigt der BGH. Das Problem: Bei erneuter Abstimmung würde er nicht wiedergewählt

Hat Probleme auf höchster Ebene: der Weser-Kurier. Bild: jpb

BREMEN taz | Ulrich Hackmack, der allgewaltige Vorstandsvorsitzende der Weser Kurier-Konzerngruppe „Bremer Tageszeitungen-AG“ (BTAG), ist in Urlaub. Nein, nicht beurlaubt. Am 8. Oktober ist er wieder im Haus, sagt sein Sekretariat. Obwohl sein Vertrag „nichtig“ ist, rechtswidrig, wie nach einem Spruch des Bundesgerichtshofes (BGH) nun feststeht. Das Bremer Oberlandesgericht hatte das schon 2011 festgestellt. Der Aufsichtsrat hatte genügend Zeit, sich darauf einzustellen. Aber der Verlag wollte über den Bundesgerichtshof eine Revision erzwingen. Dies hat der BGH am 18. September zurückgewiesen.

Was nun? Der Aufsichtsrat eines Unternehmens hat darauf zu achten, dass sich eine Gesellschaft rechtskonform verhält. „Keine automatischen Konsequenzen“ habe die nun festgestellte Rechtsgültigkeit des Urteils von 2011 und damit der Hackmack-Vertrag von 2009, wird der Belegschaft des Weser Kuriers in einer „Mitarbeiterinformation“ des Vorstandes mitgeteilt. „Nichtig“ war die Verlängerung des Vorstandsvertrages von 2009 aus formalen Gründen: Der Tagesordnungspunkt stand schlicht nicht in der Einladung. Warum, fragt man sich verwundert, führt der Verlag einen jahrelangen juristischen Kleinkrieg bis hin zum Bundesgerichtshof, anstatt die Sitzung schlicht mit korrekter Einladung zu wiederholen und den Beschluss zu heilen?

Die Antwort liegt in der Kultur der Eigentümer-Erben der Familien Hackmack und Meyer, die in dem Bremer Urteil auch als „Stämme“ bezeichnet werden. Das Kriegsbeil ist seit Jahren ausgegraben zwischen diesen Stämmen. Und 2009 hat eine alte Dame, die eigentlich zum Stamme „Meyer“ gehört, für Hackmack gestimmt. So gab es eine klare Mehrheit – aber eben ohne korrekte Einladung. Inzwischen sind diese Anteile an Christian Güssow verkauft, den Haupterben des Stammes-Gründers Hermann Rudolf Meyer – und der ist der Kläger, der sich nun vor dem Bundesgerichtshof durchgesetzt hat. Güssow verfügt heute über 50 Prozent der Aktien des nicht börsenorientierten Unternehmens BTAG, hält die selbstherrliche Vorstandstätigkeit von Ulrich Hackmack für eine Katastrophe für das Unternehmen und hätte sie gern schon 2009 beendet gesehen. Eine Erneuerung des „nichtigen“ Aufsichtsratsbeschluss von 2009 kann es daher nicht geben.

Inzwischen gibt es seit dem 1. März drei weitere Vorstandsmitglieder. Beobachter der Szene fragten sich schon, was die denn zu tun haben neben dem allgewaltigen Ulrich Hackmack, der bisher auch keinen neben sich brauchte. Nach der Satzung der BTAG darf eigentlich kein Vertreter eines der beiden Besitzer-Stämme im Vorstand sein, es sei denn, der Aufsichtsrat beschließt eine Ausnahme. Damals, 2009, war die Begründung für die Verlängerung des Hackmack-Vertrages, dass der Aufsichtsrat die rechtzeitige Bestellung eines Nachfolgers verpennt hatte und „hinreichende Zeit für die optimale Besetzung“ des Postens gewonnen werden müsse. Da diese Zeit seit 2009 hinreichend zur Verfügung stand, entfällt die Begründung und Hackmacks Urlaub könnte so in eine „Beurlaubung“ übergehen.

Nicht nur die „Opfer“ der Hackmack-Ära warten nun gespannt, wie der Krieg der Stämme ausgeht, sondern auch die Opfer der Chefredakteurin Silke Hellwig. Ihre Bestellung im September 2011 war ein Herzensanliegen von Ulrich Hackmack und hat im Hause des Weser Kuriers schnell zu ähnlich tiefgreifenden Missstimmungen geführt wie ihre Rolle als Chefin von buten&binnen vor ihrer Absetzung im Hause Radio Bremen. Sie hat, für eine Chefredakteurin ungewöhnlich, ein zweijähriges Rückkehrrecht in ihren alten Vertrag bei Radio Bremen.

Die offizielle Mitarbeiterinformation des Weser Kuriers enthält zur Frage, was nun die Konsequenzen der Rechtswidrigkeit der Anstellung seines Geschäftsführers sind, nur eine auffallend sybillinische Floskel: „Keine automatischen Konsequenzen“ habe das Urteil. Der Aufsichtsrat, der Konsequenzen ziehen kann, tagt noch im Oktober 2012.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!