Chauffeur-Ausbeutung am Bundestag: Teure Karren, billige Fahrer

Bundestagsabgeordnete nutzen teure Limousinen. Doch deren Fahrer müssen ihr Einkommen häufig mit Nebenjobs oder Sozialleistungen ergänzen.

„Dieses hohen Hauses unwürdig“: Manche Fahrer sind auf 400-Euro-Basis angestellt. Bild: ap

BERLIN taz | Direkter könnte der Kontakt der Chauffeure zu ihren Volksvertretern im Bundestag kaum sein. In den Sitzungswochen steigen die Abgeordneten täglich in die schwarzen Nobelkarossen, um sich von den Fahrern von Termin zu Termin kutschieren zu lassen.

Vor prekärer Beschäftigung schützt sie der direkte Kontakt jedoch nicht, klagt der SPD-Abgeordnete Steffen Lemme. „Unhaltbare Zustände“ herrschten bei den Arbeitsverhältnissen des Bundestags. Viele der Fahrer müssten ihre geringen Verdienste durch Nebenjobs oder Sozialleistungen aufstocken.

Der Bundestag beschäftigt nur gut dreißig der Fahrer selbst. Der Großteil ist bei einem von der Bundestagsverwaltung beauftragten externen Dienstleister angestellt. Über hundert Fahrer des Berliner Unternehmens RocVin stehen bei Bedarf mit Limousinen für den kostenlosen Service bereit.

Der Fahrdienst des Deutschen Bundestags ist eine Abteilung der Bundestagsverwaltung. Sie hat den Auftrag, Abgeordnete innerhalb Berlins für diese kostenfrei zu befördern. Der Fahrdienst fährt etwa 1,5 Millionen Kilometer im Jahr. Neben angestellten Fahrern beauftragt die Abteilung auch Privatunternehmen. Die Verträge mit den Dienstleistern werden alle drei Jahre neu ausgeschrieben und vergeben. Der Ältestenrat beschloss 2009 auf Initiative der Grünen, den Fuhrpark auf Fahrzeuge mit einem CO2-Ausstoß von maximal 140 Gramm pro Kilometer umzustellen. (taz)

Zwar zahlt RocVin seinen Angestellten nach Informationen von Ver.di Stundenlöhne von mindestens 8,50 Euro. Dennoch wirft ihm die Gewerkschaft „arbeitnehmerunfreundliches Verhalten“ vor. Demnach arbeiten die meisten Angestellten als Teilzeitkräfte und hätten befristete Verträge. Viele sollen zudem geringfügig Beschäftigte auf 400-Euro-Basis sein.

Wehren will sich Ver.di auch dagegen, dass RocVin versucht, einigen Teilzeitkräften die Arbeitszeit zu kürzen. Für die Fahrer bedeute das Lohneinbußen von bis zu 230 Euro im Monat. RocVin-Geschäftsführer Torsten Diehl äußerte sich zu den Vorwürfen auf Anfrage der taz nicht.

Keine sozialen Kriterien

„Das ist dieses hohen Hauses unwürdig“, meint der Bundestagsabgeordnete Lemme. Es sei unerklärlich, warum im Bundestag keine festen Anstellungsverhältnisse herrschten. Das Problem betreffe zudem nicht nur die Fahrer, sondern setze sich in anderen Bereichen fort, beim Sicherheitspersonal oder den Kantinenangestellten etwa.

Im Ältestenrat des Bundestags, der mit der Sache befasst ist, teilen nicht alle die Kritik Lemmes. Es gebe durchaus Fahrer, die genau solche Arbeitsverhältnisse suchten und kein Interesse an einer Vollzeitbeschäftigung hätten, meint Ratsmitglied Manfred Grund (CDU). In der vergangenen Woche machte der Ältestenrat den Weg frei für die jetzt anstehende Neuausschreibung des Auftrags.

Eine Verankerung sozialer Kriterien, die Steffen Lemme durchsetzen wollte, wurde dabei nicht beschlossen. Ginge es nach ihm, würden in der Ausschreibung Auflagen wie ein Mindestlohn, eine Mindestanzahl von Arbeitsstunden oder die ausschließliche Beschäftigung von Festangestellten festgeschrieben. Würde RocVin diese Kriterien nicht erfüllen, ginge der Vertrag an ein anderes Unternehmen. Umstritten ist jedoch, ob solche sozialpolitischen Vorgaben bei öffentlichen Ausschreibungen rechtlich durchsetzbar wären.

Ver.di versucht unterdessen, den vermeintlich prekären Verhältnissen auf andere Weise ein Ende zu bereiten und mit RocVin einen Tarifvertrag auszuhandeln. Doch nach ersten gemeinsamen Gesprächen zweifelt die Gewerkschaft am „ernsthaften Verhandlungswillen“ von Geschäftsführer Diehl. Dieser wies gegenüber Ver.di den Vorwurf zurück, er sei an einem Tarifvertrag für seine Angestellten nicht interessiert. Die Verhandlungen hat er wegen des Streits vorerst ausgesetzt.

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