piwik no script img

PROTEST GEGEN DIE KÜRZUNGSPOLITIK DER SPD-REGIERUNGSenat kürzt Urlaub für Neue

Rund 2.000 Menschen demonstrieren gegen Etatkürzungen. Gewerkschaft empört: Der Senat reduziert den Urlaub bei allen Neuverträgen.

Haben das Kürzen satt: 2.000 Leute protestierten gegen die SPD. Bild: DPA

Bis zu 2.000 Menschen demonstrierten am Freitag gegen die „Rotstiftpolitik“ des Senats. Mit Transparenten wie „Hände weg von den Bauspielplätzen“ oder „Unter den Talaren, nackt vor lauter sparen“ protestierten sie gegen die geplanten Kürzungen bei Jugendtreffs, Hochschulen und Beschäftigungsprojekten, die der SPD-Senat mit der für 2020 geplanten Schuldenbremse begründet.

„Die Schuldenbremse ist ein Krebsgeschwür“, warnte Ver.di-Sekretärin Sieglinde Friess. Wenn die SPD jetzt noch mal zusätzlich 1,5 Millionen Euro für Stadtteilprojekte bewillige, seien dies „Nebelkerzen“, die vor den Folgen der geplanten Haushaltspolitik bis 2020 ablenkten.

Nachdem das Personalamt in dieser Woche ein Schreiben herumschickte, fürchtet Ver.di, dass am Urlaub der rund 60.000 städtischen Beschäftigten gespart wird. Denn ab Januar soll es zunächst nur noch 26 Urlaubstage statt bisher 30 geben – für alle neu Eingestellten und alle Mitarbeiter, die geänderte Verträge bekommen.

Das Personalamt begründet das Vorgehen mit einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts, wonach die alte, nach Alter gestaffelte Urlaubsregelung mit dem Antidiskriminierungsrecht unvereinbar war. Bis dahin galt: Bis 30 Jahre 26 Tage Urlaub, bis 40 Jahre 29 Tage und danach 30 Tage. In Folge des Urteils erhielten für 2011 und 2012 alle Beschäftigten der Länder 30 Tage Urlaub.

Doch im August hat die „Tarifgemeinschaft der Länderarbeitgeber“ die Urlaubsbestimmungen gekündigt. Man habe jetzt die 26 Tage gewählt, weil das Gericht diese Zahl akzeptiere, solange alle gleich behandelt würden, erklärt André Kuhring, Referent im Personalamt. Jetzt müssten beide Seiten neu verhandeln. Eine „Orientierung“ könne ein Abschluss sein, den Bund und Kommunen nach dem Urteil bereits mit den Gewerkschaften aushandelten, wonach es bis 55 Jahre 29 Tage Urlaub gebe und danach 30 Tage. Die heute 40- bis 55-Jährigen würden dabei ihre Urlaubsansprüche behalten.

Sieglinde Friess sieht in der jetzt schon vom SPD-Senat vorgenommen Absenkung eine „Bestrafungsaktion“, die ohne Not geschehe. Außer Hamburg sei nur noch Nordrhein-Westfalen so vorgegangen. Sie vermute, dass der Scholz-Senat über eine Urlaubskürzung den Abbau von Stellen rechtfertigen wolle: „Sagen wir, es gibt zwei Urlaubstage weniger für 60.000 Beschäftige, das sind locker 3.000 Stellen, die eingespart werden können.“

Die Stadt habe in den letzten 20 Jahren in den Bezirken schon ein Drittel der Stellen abgebaut und erhöhe stetig den Arbeitsdruck, kritisierte der Eimsbüttler Personalratsvorsitzende Andreas Scheibner. Dieser Abbau verschärfe sich nun durch die zehnprozentige Kürzung bei der Kinder- und Jugendarbeit.

Im Spielhaus „Surcis Goldinger“ in Schnelsen-Burgwedel zum Beispiel wird ab Januar nur noch eine halbe Kraft die Kinder betreuen. „Ich verliere dann meinen Arbeitsplatz“, sagt Erzieher Marcel Schulze (25), der zur Demo gekommen war. Insgesamt werde in acht Eimsbüttler Einrichtungen gekürzt, berichtet Achim Gerbing vom Verband für offene Kinder- und Jugendarbeit.

Auch zahlreiche Jugendliche hatten ihre schon im Frühjahr erstellten Transparente wieder mitgebracht, weil sie um ihre Treffpunkte fürchten. Doch nur in Altona weigern sich die Gremien bis heute, die Kürzungen umzusetzen. Alle anderen Bezirke, berichtet Jugendhilfeausschuss-Mitglied Heike Rupp, seien inzwischen „umgefallen“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • WB
    Wolfgang Banse

    Sparen sollte nicht auf Kosten der Arbeitnehmer,hier gehören auch die Urlaubstage geschehen.Denn dem öffentlichen Arbeitgeber sollte die Arbeitskraft,hier ergaltene Arbeitskraft etwas wert sein.

  • G
    Gabriela

    @Meyer:vielen Dank für Ihre Worte, genau diese haben in den letzten Monate in dieser Stadt gefehlt

  • E
    Erklärungsnot

    Zitat: „Sagen wir, es gibt zwei Urlaubstage weniger für 60.000 Beschäftige, das sind locker 3.000 Stellen, die eingespart werden können.“

     

    Diese Rechnung verstehe ich nicht. 2 Urlaubstage weniger für 60.000 Beschäftigte sind 120.000 gewonnene Arbeitstage. Wenn man hiermit "locker 3.000 Stellen" einsparen möchte, würden nur 40 Arbeitstage pro Jahr auf eine Stelle entfallen?

     

    Bei einer tatsächlichen Zahl von ca. 220 Arbeitstagen pro Jahr und Stelle würden 120.000 Arbeitstage nur ca. 550 Stellen entsprechen.

     

    Gehört es eigentlich nicht auch zum Journalismus, solche offenbar grob falschen Zahlen zu hinterfragen?

  • PM
    Peter Meyer

    Informativer Bericht, der den Zugang zu den umfangreichen strukturellen Kürzungen in Folge der "Schuldenbremse" möglich macht. Es ist ja kaum mögliche alle Facetten darzustellen. Und es ist deshalb erstaunlich, wie ruhig und gesittet es unter diesen Umständen zugeht.

     

    Wohltuend ist dieser taz-Artikel auch deshalb, weil er das zentrale Thema auf der Hamburg-Seite ausmacht.

     

    Alle anderen Printmedien in Hamburg berichten heute an diesem Platz über den flüchtigen 11jährigen Jungen. Und das in einer Form, die nur noch "Sensationsschreibe" genannt werden kann. Ich bin froh das die taz diese "Doppelmoral" nicht mitmacht.

  • M
    mimi-kri

    120 Millionen Euro Zinsen für die zum Kauf von Hapag-Lloyd und die auf bald 1 Milliarde Euro anwachsenden Kosten für die Geldvieh-Harmonie müssen ja irgendwie reingeholt werden!

     

    Da wollen wir doch mal nicht so kleinlich sein - oder?