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Sebastian Erb hat recht: Nur, wenn die Wähler akzeptieren, dass die Piraten anders sind als andere Parteien und sie trotzdem wählen, wird die Partei irgendwann eine Chance bekommen, ihre Ideale umzusetzen.
Leider scheinen die deutschen Massenmedien (incl. taz) gerade wahnsinnig interessiert daran zu sein, ihrem staunenden (Rest-)Publikum die eigene (Profi-)Kompetenz in Sachen "professionelle Politik" zu demonstrieren. Sebastian Erb zum Beispiel protzt mit seiner Überzeugung, jeder, der schneller als sein eigener Verstand sein kann, sei zwangsläufig einen lupenreiner Demokrat und gut fürs Volk. (So hat man die Sache schließlich schon immer gesehen, vor allem in den Führungszirkeln der etablierten Parteien. So muss es also stimmen.) Eins, setzen, Herr Erb. Leider wird die etablierte Politik Sie nicht bezahlen für Ihre Dienstleistung. Bezahlen muss sie die taz. Und die könnte von Ihrer Arbeit rein finanziell vermutlich mehr profitieren, wenn sich potentielle Piraten-Wähler von Ihnen nicht darüber informieren lassen müssten, was die Piraten Ihrer Ansicht nach alles grundlegend falsch machen, sondern darüber, was sie von den übrigen Parteien unterscheidet, ohne zugleich ihre Wählbarkeit zu ruinieren.
Wie bitte? Was sagen Sie? Sie können keine Garantie abgeben dafür, dass die Leser sich nachher nicht verarscht fühlen, wenn Sie nicht so ganz richtig gelegen haben mit Ihrer Einschätzung? Na und? Ich meine: Werden Sie doch einfach Historiker, dann haben Sie diese Probleme nicht!
sagt: Hauptsach, dat Wort "Sozialismus" es eraus un der Rest mache mer suwiesu nit!
Was ich heute in den Nachrichten über die Beschlüsse der Piraten gelesen habe (u.a. Kernenergieausstieg innerhalb von drei Jahren - dann sollen die Nerds doch bitte dauerhaft offline gehen, um Strom zu sparen - und Außenpolitik, die sich nicht primär an Deutschlands oder Europas Interessen, sondern an den "Bedürfnissen aller Menschen" orientiert), bestätigt meinen bisherigen Eindruck: Von Milieu (Wohlstandsbürger) und Weltbild her im Wesentlichen eine Neuauflage der Grünen. Was dazu kommt (peinliche Technikfixiertheit, Agitieren gegen das Urheberrecht - wie kommt man auf solchen Unsinn?) ist lächerlich und für mich und sicherlich viele andere Menschen in Deutschland völlig irrelevant. Diese Partei braucht kein Mensch.
Die Grünen sind enttäuscht vom Klimaschutzpapier des Koalitionsausschusses. SPD und FDP hochzufrieden. Die Rangeleien in der Ampel könnten zunehmen.
Kommentar Parteitag der Piraten: Die Stärke ist die Schwäche
Eine Partei wie die anderen auch werden die Piraten vorerst nicht sein. Denn ihr Programmparteitag zeigt, dass die Partei inhaltlich sehr schnell an ihre Grenzen stößt.
Die Piraten können ihre Selbstbezogenheit im Zaum halten, Personalquerelen weitgehend außen vorlassen und sich auf Inhalte konzentrieren. Das ist die Botschaft ihres Programmparteitags. Das Problem: Ihr Entscheidungsfindungsprozess ist bislang quälend langsam.
Die Piraten haben dabei Schwierigkeiten grundsätzlicher Natur. Ihre größte Stärke ist zugleich ihre größte Schwäche. Die Piraten sind offener als andere, inhaltlich und auf formaler Ebene. Das macht sie für viele interessant, die sich sonst nicht parteipolitisch engagieren würden.
Das Problem dabei: Einzelne Piraten-Mitglieder können wie in Bochum leicht den ganzen Ablauf durcheinanderbringen – auch wenn die Masse sichtlich bemüht ist, die größten Spinner in die Schranken zu weisen.
Auch inhaltlich gerät die Partei an ihre Grenzen. Denn bei den Piraten ist innerhalb grober Linien programmatisch fast alles möglich. Es gibt zwar Einigkeit bei Kernthemen der Freiheit im Internet. Wenn die Vorschläge aber zu konkret werden, ist die nötige Zweidrittelmehrheit schwer erreichbar.
DER AUTOR
Sebastian Erb ist Redakteur im Inlandsressort der taz.
Das zeigte sich beim verabschiedeten Grundsatzprogramm Wirtschaftspolitik. Es ist eine holprige Kombination zweier Vorschläge; in zentralen Fragen wie der Steuerpolitik enthält es nur Leerstellen.
Die Piraten werden daher auf absehbare Zeit nicht die Kriterien erfüllen, die man an andere Parteien anlegt. Sie können sich nicht über Nacht professionalisieren, viele Mitglieder wollen das gar nicht.
Nur wenn die Bürger dies akzeptieren und trotzdem Piraten wählen, kann die Partei ihre Ideale der Politikgestaltung im Bundestag vertreten – und langsam ihre Positionen festigen. Ansonsten wird es zumindest auf Bundesebene bald sehr still um sie.
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Kommentar von
Sebastian Erb
Reporter
Reporter im Ressort Reportage & Recherche mit Schwerpunkt auf investigativen Recherchen. Er hat Sozialwissenschaften studiert und die Deutsche Journalistenschule in München absolviert, seit 2011 bei der taz. Themen u.a. Rechtsextremismus in Bundeswehr und Polizei (#Hannibal), Geheimdienste und Missstände in NGOs. Er gibt Seminare zur (Online-)Recherche. Sicher zu erreichen per Threema: 7D8P2XSV
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