Gleichstellung bei der Adoption: Ungleiche Rechte für Kim und Nils

Judith und ihre adoptierte Tochter Kim und Vera und ihr leiblicher Sohn Nils sind eine ganz normale Familie. Nur für den Staat nicht.

Eine ganz normale Familie: Eltern und zwei Kinder. Bild: Lisa von Prondzinski

BERLIN taz | Judith, Vera, Kim und Nils sind „die Steinbecks“ aus Bergisch-Gladbach. Die Vier sind eine ganz normale Familie – zwei Elternteile, zwei Kinder. Kim und Nils sind Geschwister, sie würden sich niemals anders bezeichnen. Auch ihre Eltern sehen das so. Aber rechtlich ist das anders, da sind das zwölfjährige Mädchen und der fünfjährige Junge zwei Kinder, die jeweils zu einer Mutter gehören: Nils zu Vera, Kim zu Judith. So sieht es das Gesetz bei eingetragenen Lebensgemeinschaften vor.

Judith, 51, und Vera, 47, sind seit 23 Jahren ein Paar und seit 2001 verpartnert. Die beiden wollten immer Kinder haben, sie dachten über Adoption nach. Homosexuelle Paare können in Deutschland aber nicht gemeinsam Kinder adoptieren, als Einzelpersonen allerdings schon. So hat Judith, die als Psychotherapeutin in Köln arbeitet, die damals neun Monate alte Kim allein adoptiert. Ein paar Jahre später hat Vera Nils bekommen – als leibliches Kind durch künstliche Befruchtung.

Beide Frauen kümmern sich von Anfang an gleichberechtigt um beide Kinder. Auch für Kim und Nils macht es keinen Unterschied, wie sie zu Vera und Judith gekommen sind. Zu Hause haben sie gleiche Rechte und gleiche Pflichten. Aber juristisch stehen sie auf verschiedenen Stufen: Nils oben, Kim unten. Warum? Nils könnte von Judith adoptiert werden, weil Nils Veras leibliches Kind ist. Leibliche Kinder können sowohl von hetero- als auch von homosexuellen Lebenspartnern adoptiert werden.

Anders ist das bei Kim. Sie kann von Vera nicht adoptiert werden – weil sie schon von Judith adoptiert wurde. Eine sogenannte Sukzessivadoption oder Zweitadoption ist hierzulande nicht vorgesehen. Bei heterosexuellen Ehepaaren hingegen kann der Lebenspartner ohne Weiteres ein Kind adoptieren, das bereits vom anderen adoptiert wurde.

Im Alltag kein Problem

Fälle wie dieser kommen in Deutschland nicht häufig vor. An der Familie Steinbeck wird indes sichtbar, wie verwirrend das Adoptionsrecht derzeit ist. Judith und Vera haben lange überlegt, ob wenigstens Nils das volle Recht bekommen sollte. „Wir haben uns dagegen entschieden“, sagt Judith Steinbeck: „Wir wollen nicht, dass die Geschwister einen unterschiedlichen Status haben.“

Über das sogenannte kleine Sorgerecht für „Regenbogenfamilien“ können Judith und Vera zwar gleichberechtigt über Alltagsdinge beider Kinder entscheiden: Entschuldigungszettel für die Schule und die Kita, Taschengeld, Fernsehen, Essen. Den Katastrophenfall sichert das Gesetz allerdings nicht ab.

Das hat Folgen: Stößt einer Mutter etwas zu, kann die andere das Kind nicht in jedem Fall „behalten“, es könnte in ein Heim oder zu einer fremden Pflegefamilie kommen. Die Geschwister würden getrennt, die Herkunftsfamilie würde zerstört. Judith und Vera haben ihr gesamtes Leben auf solche Risiken ausgerichtet. Sie haben zum Beispiel ihre Motorräder verkauft, damit ihnen auf der Straße nichts zustößt. „Wir haben noch größere Angst als ’normale‘ Eltern“, sagt Judith Steinbeck.

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