Abschlusssitzung der Internet-Enquete: Der Schlafwagen wacht auf

Die Enquete-Kommission zur Digitalen Gesellschaft sollte das Netz und seine Möglichkeiten ausloten. Einig wurde man sich nicht – aber immerhin war es ein großer Schritt.

Ganz ohne Computer: Sitzung der Enquete-Kommission. Bild: dpa

BERLIN taz | Wenn es um das Internet ging, galt der Bundestag lange Zeit als Schlafwagenparlament: alles verschlafen, wenig verstanden und nichts geregelt. Das war selbst der schwarz-gelben Koalition Ende 2009 zu peinlich. Nach dem Streit ums verunglückte „Zugangserschwerungsgesetz“, das gegen die Verbreitung von Abbildungen sexuellen Kindesmissbrauchs im Internet helfen sollte, wurde im März 2010 eine Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft (liebevoll EIDG abgekürzt) vom Bundestag eingesetzt. 17 Abgeordnete und 17 externe Sachverständige machten sich auf die Reise.

Im Gepäck: alle strittigen Themen der Digitalpolitik. Ob Datenschutz, Urheberrecht, Cybersicherheit oder die Frage, wer über das Netz verfügen soll. Expeditionsteilnehmer waren vorwiegend junge und internetaffinere Abgeordnete. Nur der Vorsitzende Axel E. Fischer (CDU) brachte schon zwei Parlamentsperioden Hinterbankerfahrung mit, machte sich fix einen Namen mit der Forderung nach einem „Vermummungsverbot im Internet“.

Gleich zu Beginn wurde es schwierig. Normalerweise erforschen Enquete-Kommissionen langfristige Themen. Die EIDG – bald inoffiziell umgetauft in „Es ist das Grauen“ – steckte jedoch immer wieder in der Tagespolitik fest. Die Koalitionsmitglieder und die von ihr benannten Sachverständigen wollten dabei kaum Kritik an der Regierungspolitik zulassen – keine gute Voraussetzung.

Nicht nur inhaltlich, auch im Prozess wollte die EIDG das Netz und seine Möglichkeiten ausloten. Bürgerbeteiligung wurde groß geschrieben. Als „18. Sachverständiger“ angekündigt, bewies die Öffentlichkeit jedoch sehr überschaubaren Willen zur Mitarbeit. Dies ergänzte sich unvorteilhaft mit den technischen Limitierungen des Bundestages.

Große Differenzen

In den Bestandsaufnahmen der 12 Projektgruppen war man sich weitgehend einig. So sei die Rolle der USA in der Verwaltung des Netzes noch zu groß, doch sei eine Internationalisierung mit Ländern wie China und Russland kaum wünschenswert. Die – ohnehin unverbindlichen – Empfehlungen klaffen dagegen auseinander. Die Koalitionsbank zum Beispiel sieht beim Urheberrecht zwar Probleme, konnte sich intern aber nicht auf Änderungsvorschläge einigen.

Bei der Frage der Beförderungsweise von Inhalten im Netz, der sogenannten Netzneutralität, empfiehlt die Koalition, dass der Staat erst eingreift, wenn die Wirtschaft ihre Macht so sehr missbraucht hat, dass die Verbraucher keinerlei Wahl mehr haben.

Die Oppositionsbank dagegen verlangt weitreichende Reformen: So brauche es eine zügige Urheberrechtsreform, die dieses Recht von einem Verwerter- und Autorenrecht zu einem Recht für alle entwickelt, damit Abmahnungen deutlich seltener werden.

Im Vergleich zu dem, was deutsche Bundespolitik bislang zur Internetpolitik verlauten ließ, sind die Ergebnisse ein großer Schritt. Dass sich künftige Bundesregierungen stärker dem Netz widmen müssen, ist nun offiziell festgestellt. Das passende Schlusswort zur Internet-Enquete sprach deren Vorsitzender Axel E. Fischer am Montag: „Erst nach und nach sind für mich die Dimensionen der Veränderungen klar geworden, die die Digitalisierung mit sich bringt.“

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