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Spielfilm über realen KindermörderNatürlich voreingenommen

Pädophile gab es im Sozialismus offiziell nicht. „Mord in Eberswalde“ verpasst die Chance, mehr aus dem Thema zu machen als Schwarz-Weiß-Malerei.

Gut und böse: der Kommissar (Ronald Zehrfeld, r.) und die Stasi. Bild: Wolfgang Ennenbach/WDR

Grau und Ockerbraun. Bereits in Christian Petzolds großem DDR-Film „Barbara“ haben diese Farbnuancen die Ästhetik bestimmt – und der Film „Mord in Eberswalde“ setzt da am Mittwoch Abend noch eins drauf. Die nicht zuletzt ästhetische Biederkeit der DDR wird breit ausgestellt – vorgeführt. Man achte nur einmal auf die Tapeten.

Der Held der Geschichte (Buch: Holger Karsten Schmidt) ist Hauptmann bei der Polizei – in der DDR klangen auch die polizeilichen Dienstgrade militärisch. Als Identifikationsfigur taugt er dennoch: Er ist ein Nonkonformist, einer, der die schrecklichen Kindsmorde in den Wäldern um Eberswalde um wirklich jeden Preis aufklären will. Muss. So wie einst der Kommissär in Dürrenmatts „Versprechen“ der Mutter, hat der Hauptmann einem Vater ein Versprechen gegeben. Und solche Männer sind durch ein Versprechen gebunden.

Der Hauptmann ist besetzt mit Ronald Zehrfeld, der auch in Dominik Grafs „Das unsichtbare Mädchen“ schon so einen unbeirrbaren Loner gegeben hat, der nicht nur einen Mörder suchen, sondern auch die systemimmanenten Widerstände überwinden musste. Da allerdings im Fränkischen, nicht in der DDR.

Und deshalb - und weil beiden Filmen ein ganz realer Fall zugrunde liegt – ist es gut, genau diesen Film von Graf noch einmal zu vergegenwärtigen. Denn sonst käme die Bundesrepublik doch allzu gut weg. Keine Szene von „Mord in Eberswalde“ spielt in der BRD, aber sie ist immer präsent. Es verhält sich nämlich so, dass sich dort gerade eine parallele Mordserie an Kindern zugetragen hat.

Der Held ist natürlich unvoreingenommen. Er hat einen Antipoden (Florian Panzner). Einen einstigen Jugendfreund und jetzigen Stasi-Karrieristen, der seine Frau (Ulrike C. Tscharre) schlägt, mit der der Held übrigens schläft. Der Jugendfreund sagt: „Wir haben ganz sicher keinen pädophilen, homosexuellen Sadisten in Eberswalde.“ Begründung: „Weil solche Individuen aus dem sozialistischen System heraus nicht existieren können.“

Der Held lässt sich nicht behindern und findet den als psychisch schwer gestört gezeichneten Mörder. Es folgen: Gerichtsverfahren, Todesurteil, Nahschuss in den Hinterkopf.

Der Kindermörder im Westen bekommt hingegen ein Revisionsverfahren. Der Stasi-Mann nennt die BRD deshalb „ein absurdes, marodes System“. Natürlich ist es aber die DDR, die vorgeführt wird: Der antifaschistische Schutzwall schützt die DDR-Justiz auch vor dem Schuldgrundsatz.

Was, zum Beispiel, nicht gesagt wird: dass auch Erwin Hagedorn, der letzte in der DDR hingerichtete Zivilist, zuvor ein Revisionsverfahren hatte. Oder dass der Westmörder Jürgen Bartsch verurteilt wurde und später bei einer Kastrationsoperation gestorben ist. Aber so differenziert ist „Mord in Eberswalde“ dann leider nicht.

„Mord in Eberswalde“, Mittwoch 30. Januar, 20.15 Uhr, ARD

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5 Kommentare

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  • MH
    Marco Hoffmann

    P.S.

     

    ( 7102 Js 316/10 )

  • RA
    ralf ansorge

    der film war nicht schlecht,aber generell finde ich bei realen fällen dokudramen im stil von heinrich breloer besser.spielfilmmacher neigen allzugern dazu der sache noch eine besondere "würze" geben zu wollen,meistens eine liebeskiste wie auch hier wieder.

    oder man unterschlägt aus gestalterischen gründen tatsachen wie die revision in diesem fall.aber sonst war der film sehr eindringlich und mit tollen schauspielern besetzt(zehrfeld,brambach).auch die zonenathmosphäre war gut getroffen.

  • RA
    ralf ansorge

    der film war nicht schlecht,aber generell finde ich bei realen fällen dokudramen im stil von heinrich breloer besser.spielfilmmacher neigen allzugern dazu der sache noch eine besondere "würze" geben zu wollen,meistens eine liebeskiste wie auch hier wieder.

    oder man unterschlägt aus gestalterischen gründen tatsachen wie die revision in diesem fall.aber sonst war der film sehr eindringlich und mit tollen schauspielern besetzt(zehrfeld,brambach).auch die zonenathmosphäre war gut getroffen.

  • KG
    Klaus Gombert

    Guten Tag,

    nun gut, weiss nicht ob meine Meinung hier jemanden interessiert. Hab mir das 2 mal angesehen. Da ist ein Unschuldiger hingerichtet worden, also was anderes kann ich nicht schlussfolgern.

     

    Ich war Mitte der 80-iger Jahre in Eberswalde und nach meinen Erfahrungen mit der dortigen Polizei kann das alles nicht stimmen.

     

    Die Eberwalder wussten schon immer alles darüber, nicht nur ein paar. Die Ungereimtheiten sind für Eingeweihte unübersehbar.

     

    Ein Polizeikommissar hat in der DDR nie in solch einer Bruchbude gehaust. Damit gehts los. Es gab die Wohnungsvergabekomissionen, die natürlich zuerst die SED-Genossen mit schicken Wohnraum versorgten. Also bitte.

     

    Ich selbst wurde inhaftiert, angeblich wegen Schusswaffenbesitz. Kurz vor Mitternacht erhielt ich Besuch von 2 Vopos im Wohnheim des Kranbaus. Die stellte mir die Bude auf den Kopf und suchten nach Waffen. Am nächsten Morgen wurde ich beim Verlassen festgenommen. Man brachte mich zu einem Gebäude, weiss nicht war es der Keller oder Erdgeschoss, wo ich stundenlang verhört wurde. Nach 1990 erfuhr ich, dass es sich um die MfS-Kreisdienstelle handelte.

     

    Dann wurde ich untergebracht. Ich fand mich in einem Käfig aus armdicken Rohren geschweisst wieder. Da blieb ich dann viele Wochen. Man fand keine Waffen und irgenwann durfte ich dann gehen.

     

    Was ich da erlebt habe gehört zum Grausamsten meines Lebens.

     

    Entscheidend ist aber bei diesem, was soll das denn sein ? , dass der Täter schwul wäre. Was denn sonst? Das passt genau in das Stasi-Klischee. Die drohte ja den Anderdenkenden immer damit diese schwul zu machen, also zu inhaftieren und eben vergewaltigen zu lassen.

     

    Die Aussagen des Hagedorn können ebenso von der Stasi vorgegeben worden sein. So haben die das gemacht. Das Verhörprotokoll wurde prosaisch geschrieben und zur Unterschrift vorgelegt.

     

    Auch ich habe alles unterschrieben. Die hätten mir sonstwas andichten können.

     

    Aus meinen Erfahrungen kann ich nichts anderes sagen. Das glaube ich alles nicht.

     

    Gruss

    Klaus Gombert

  • MH
    Marco Hoffmann

    "

    Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) soll einflussreiche Persönlichkeiten i n Westeuropa mit Kinderpornografie erpresst haben . Auch der belgische Kinderschänder Mar c Du tr ou x hat im Auftrag der Stasi gearbeitet.

     

    Das erklärte Wanja Götz, Verbindungsoffizier zwischen dem sowjetischen Geheimdienst KGB und der Stasi, in einer eidesstattlichen Versicherung gegenüber der " Berl iner Morgenpost" . " Zu den Erpressten gehören Politiker, Richter und Industrielle, von denen einige nach wie vor Einfluss in den westlichen Demokratien haben" , teilte Götz ( Deckname : Grigori) der Zeitung mit. Nach dem Fall der Mauer habe das ehemalige Stasi-Netzwerk die geheimdienstlichen in finanzielle Interessen umgewandelt.

    "

    http://www.aachener-zeitung.de/news/kultur/arbeitete-marc-dutroux-fuer-die-stasi-1.56360

     

    Interessant war auch der vor ein paar tagen ausgestrahlte realistischen film "operation zucker" (der fahrer und die begleiterin).

     

    Ich erinnere an das im ddr-harz verschwundene blonde kind, war das in elend? Darüber hab ich ne doku gesehen.

     

    "

    Konkret fehlen in der gekürzten Fassung drei Minuten vom Ende des Films. Die zehnjährige Fee, die von der Polizei aus den Fängen der Kinderhändler gerettet wurde, konnte von den Beamten nur an einen vermeintlich sicheren Ort, ein Haus an einem See, gebracht werden. Was in der FSK-12-Version nicht zu sehen ist: Einer der Kinderhändler spürt das Mädchen in diesem Versteck auf, überwältigt die LKA-Beamtin, die Fee beschützen soll, holt die Zehnjährige und setzt sie in die Limousine ihres " Kunden". Die Polizistin hat gegen den brutalen Mann keine Chance und bleibt hilflos zurück.

     

    Die Freiwillige Selbstkontrolle Kino ( FSK) hatte befunden, dass dieses hoffnungslose Ende Zuschauer mit zwölf oder 13 Jahren überfordern würde. Deshalb wurde die ungekürzte Fassung erst ab 16 Jahren freigegeben

    "

    http://www.hna.de/nachrichten/kultur/fernsehen/operation-zucker-ard-film-ueber-kindesmissbrauch-ungekuerzte-fassung-zr-2704192.html

     

    Also, gesetzt den fall, die hamburger staatsanwaltschaft hätte beweise für einen zusammenhang und bekäme dann wie im beschneidungsfall ermittlungsverbot von den dienstvorgesetzten tätern, an wen müsste die staatsanwaltschaft sich dann zuckersüß wenden? Die taz kratzt sich am ellenbogen und guckt fragend zu ulrich lorenz.