Reklame im öffentlichen Raum: Aufruhr hinterm Cola-Poster
Eine Hausverwaltung in Berlin überlässt Coca-Cola eine komplette Hausfassade zu Werbezwecken. Dann schlugen die Mieter zurück.
BERLIN taz | „Wie ist das Wetter heute?“, musste Fernando Goncalves in den vergangenen Tagen seine Besucher fragen. Auch tagsüber war es finster in der Wohnung des 31-jährigen Marketingexperten aus São Paulo. Denn seit Freitag spannte sich ein Werbeplakat über die gesamte Fassade der Danziger Straße 2, direkt an der Ecke Eberswalder. Darauf zu sehen: eine Flasche Diät-Cola, eine fröhlich lachende junge Frau und der Satz „Tut mir nicht leid“.
Goncalves saß zu Hause und arbeitete, als er bemerkte, wie an dem Gerüst, das seit November am Gebäude steht, Stoffbahnen herabgelassen wurden. Er ging auf die Straße und schaute hoch. Der Satz kam ihm vor wie ein ausgestreckter Mittelfinger.
„Nachts wird das Plakat angestrahlt“, sagt Goncalves, „letzten Samstag bis vier Uhr morgens.“ Er und seine Freundin wohnen seit knapp einem Jahr hier. Letzten Herbst habe es Aushänge im Treppenhaus gegeben: Die Heizung werde saniert. Dann wurde das Haus eingerüstet – und ist es noch. Von Baumaßnahmen an der Fassade war nichts zu sehen, sagen die Mieter. Nur das Dachgeschoss werde saniert.
Mit Blog und Hashtag
Auch Michael Roggenbrodt vom Berliner Mieterverein wundert sich. Für Fassadenarbeiten sei das Einrüsten natürlich erlaubt, sagt der Anwalt, auch die Abdeckung mit Schutzplanen gehe völlig in Ordnung, und welche Farbe diese haben, könne der Vermieter sich im Prinzip aussuchen. „Aber Heizungsrohre verlaufen nicht außen am Haus“, so Roggenbrodt. Was gar nicht geht, so Roggenbrodt, ist die nächtliche Beleuchtung. Das habe nun wirklich nichts mehr mit irgendwelchen Bauarbeiten zu tun.
Fernando Goncalves wäre kein Marketingexperte, wenn er sich nicht mit den Waffen der öffentlichen Aufmerksamkeit zu wehren wüsste. Er startete eine Kampagne mit Flyern, Blog, Online-Petition, Facebookseite und Twitteraktion. Während des Superbowls in den USA postete er Tweets mit Links zu Coca-Cola und seinem Hashtag #behindacokead. Es könne ja kaum im Sinne des Limo-Konzerns sein, mit Einschränkungen der Lebensqualität assoziiert zu werden, folgerte der Werbefachmann.
Coca Cola sagt Entschuldigung
Mittwochnachmittag. Goncalves sitzt in seinem Arbeitszimmer, das Filmteam vom RBB ist gerade raus, eine Kollegin von der Presse interviewt ihn, da klingelt es wieder: Zwei Leute von Coca-Cola stehen in der Tür. Wir wollen uns entschuldigen, sagen sie, man habe niemandem solche Einschränkungen zumuten wollen. Und man habe nicht gewusst, dass die Mieter nicht benachrichtigt wurden. Sie würden das Plakat abnehmen.
Aus logistischen Gründen kann das Plakat erst abends entfernt werden. Bis dahin haben Coke-Kletterer den Spruch überklebt: „Tut uns leid“ steht da jetzt.
Die Hausverwaltung Horstmann war am Mittwoch nicht erreichbar. Der Chef komme erst in einer Woche wieder, erklärte eine Mitarbeiterin. Er wird sich wundern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Bestürzung und erste Details über den Tatverdächtigen
Kretschmer als MP von Linkes Gnaden
Neuwahlen hätten der Demokratie weniger geschadet
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher