Streit der Woche: „Wowereit als größter Klimaschützer“

Soll der Bau des Berliner Flughafen BER gestoppt werden? Ja, sagt der Ökonom Niko Paech. Ein Abbruch sei eine große Chance.

Wäre ein Abriss die richtige Exit-Strategie für den BER? Bild: Patrick Pleul/dpa

Flughafenchef Altman sieht es mittlerweile positiv: Die beim stockenden BER-Bau gewonnene Zeit könne man jetzt nutzen, um die Gepäckausgabe nochmal zu überdenken. Die vorhandenen acht Gepäckausgabebänder seien zu wenig, hatte ein Gutachten im vergangenen Jahr befunden. Was kommt noch alles? Mangelhafter Brandschutz, nicht funktionierende Lüftung, Probleme mit der Statik. Jetzt die Gepäckausgabe. Inmitten dieses Desasters dennoch etwas positives zu entdecken – damit liegt Altman voll im Trend.

Auch Niko Paech, Ökonom und Wachstumskritiker, freut sich über das Debakel: „Wer hätte das gedacht: Klaus Wowereit als größter Klimaschützer Deutschlands!“, kommentiert er unseren Streit. Es sei begrüßenswert, dass der Bau der „potentiell größten Berliner CO2-Schleuder“ nicht voran kommt. „Wer heute noch Flughäfen neu- oder ausbaut, kann nur das fossile Zeitalter fortsetzen wollen – etwa durch Fracking?“

Im Abbruch des Projekts sieht Paech eine große Chance: Geld zu sparen, die Umwelt zu schonen, eine weniger kerosinabhängige Wirtschaft zu stärken und ein „Zeichen gegen überkommene Gigantomanie“ zu setzen.

„Murks bleibt eben Murks“, kommentiert Kristian-Peter Stange vom Bürgerverein Brandenburg-Berlin. Auf einem maroden Fundament könne man einfach keinen soliden Bau errichten. Es sei deshalb kein Wunder, dass niemand die Geschäftsführung übernehmen wolle. Noch sei es aber nicht zu spät „vorliegende Konzepte zu nutzen, um die Investruine BER in Schönefeld profitabel nachzunutzen und einen notwendigen Flughafen Berlin-Brandenburg am geeigneten Standort zu errichten.“

Gesine Lötzsch, haushaltspolitische Sprecherin der Linken, fordert eine zügige Fertigstellung. Die gelänge aber nur, wenn der zuständige Minister und seine Sekretäre zurücktreten würden. Bundesverkehrsminister Ramsauer sei ein „Klumpenrisiko“ und alle Projekte, für die er Verantwortung trägt, seien „in die Lederhose gegangen.“

Kindergarten statt Flughafen

Ein Abriss sei keine Lösung, findet Gerhard Zeige, Geschäftsführer der Berliner Bauberäumung GmbH. „Das ist ja alles Stahlbeton, den wegzureißen, das würde in die Milliarden gehen“, sagt er. Eine Umgestaltung findet er sinnvoll. „Die Führungsetage soll fliegen“ und das Gelände fürs Gewerbe freigegeben werden: „zum Beispiel für Möbelketten.“

Auch unsere Leserin Sabine Christmann hat alternative Nutzungsvorschläge: „Macht einen Spielplatz daraus. Oder ein Kindergarten. Oder ein Schwimmbad“, kommentiert sie auf Facebook. „Bonusmeilenjäger dürfen ihre Boni dann gern in die Bahn investieren“, das sei wirtschaftlich und ökologisch eh vernünftiger.

Überforderte Behörden

Hewdig Sensen, Präsidentin der Vereinigung Deutscher Pilotinnen, hofft noch auf BER. Im November besuchte sie die Großbaustelle und war bestürzt über den „dort zu Tage tretenden Diletantismus“. Für einen führenden Industriestandort wie Deutschland sei das eine beschämende Situation. „Die Behörden waren überfordert und aus der Politik kamen keine konstruktiven Impulse.“ Trotz allem bräuchten wir jetzt endlich „möglichst schnell einen funktionierenden BER“, sonst wäre der Imageschaden noch größer.

Dieter Faulenbach da Costa sieht das ähnlich. 44 Flughäfen hat er in seiner Karriere bereits mitgeplant. Im Auftrag der Brandenburger CDU-Fraktion hatte er eine Studie zum neuen Hauptstadtflughafen erstellt. „Zu spät, zu klein, zu teuer“ nannte er das Projekt BER im November.

Im sonntaz-Streit schlägt er „eine Inbetriebnahme von BER mit den Satelliten SXF alt, Neuhardenberg und Drewitz“ vor, die einen „hohen Abfertigungsstandard des absehbaren Verkehraufkommens“ sichert. So ließe sich Zeit gewinnen, um über „zukunftsfähige Alternativen nachzudenken.“

Nicht länger warten und über Lösungen nachdenken will Gregor Klässig. Der Systemgastronom ist einer von vielen Mittelständlern, die in BER investiert haben. Der Flughafen müsse jetzt endlich fertig werden. „Obwohl für uns keine Entschädigungen zu erwarten sind, bin ich dagegen, das Großprojekt BER abzubrechen.“ Berlin brauche BER, Tegel stelle nun mal keine Alternative dar.

Die sonntaz-Frage beantworten außerdem Martin Delius, Mitglied der Piraten im Abgeordnetenhaus Berlin, sowie Sigrid Zentgraf-Gerlach von der Bürgerinitiative „Mahlower Schriftstellerviertel“.

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