Kommentar Uli Hoeneß: Die deutsche Skandalnudel

Der Präsident des FC Bayern hat sich dank seiner Steueraffäre selbst ins Aus gesetzt. Freuen dürfte das vor allem den Fifa-Chef.

Generell ein fröhlicher Mensch: Sepp Blatter. Bild: dpa

Am Zürichsee dürften am Samstagabend die Sektkorken geknallt haben. Sepp Blatter, die Skandalnudel des Weltfußballverbands Fifa, hat wieder einen Gegenspieler weniger. Uli Hoeneß, einer der größten Blatter-Kritiker, hat sich mit seiner Steueraffäre selbst ins Aus gesetzt.

Und es sieht nicht so aus, als sollte Blatter schnell ein neuer, ernst zu nehmender Kritiker erwachsen, jedenfalls nicht aus den Reihen des erfolgreichsten deutschen Vereins, des FC Bayern. Hoeneß hat bereits am Sonntagabend entschieden, im Amt zu bleiben. Möglich, dass er damit durchkommt. Der Aufsichtsrat, in dem die Chefs von Audi, Volkswagen, Unicredit und Adidas sitzen, schweigt bisher.

Sicher, Hoeneß hat als Bayern-Chef keine Straftaten begangen. Dennoch gibt es Delikte, nach denen ein Rücktritt aus wichtigen Ämtern als zwangsläufig gilt, Diebstahl oder Betrug etwa. Und es gibt solche, die zumindest Teilen der Gesellschaft als Kavaliersdelikt gelten. Taten, bei denen es nur als peinlich empfunden wird, sich dabei erwischen zu lassen. Ein klassisches Delikt, das Konservative eher für eine lässliche Sünde halten als Linke, ist Autofahren jenseits der Promille-Grenze – siehe die lange Ahnenreihe betrunkener Unions-Fahrer von Otto Wiesheu bis Bernd Busemann.

Ob Hoeneß zurücktreten muss oder nicht, wird daher Auskunft darüber geben, als was Steuerhinterziehung nach den Debatten um Kavallerie in der Schweiz und Offshore-Leaks gilt: als Delikt wie Autofahren nach dem sechsten Bier oder als etwas Ähnliches wie Diebstahl? Gilt Hoeneß wie der zurückgetretene französische Haushaltsminister Jérôme Cahuzac als Teil einer Oberschicht, die glaubt, über den Gesetzen zu stehen – oder setzt sich wie bei Franz Josef Strauß die Ansicht „A Hund is er scho“ durch?

Fußballvereine spiegeln die jeweiligen nationalen Pathologien wie in einem Brennglas: in England Renditeobjekte wie Manchester United oder Spielzeuge von Superreichen wie der FC Chelsea. In Spanien der Bauunternehmer Florentino Perez als Präsident von Real Madrid. Silvio Berlusconi, der 2012 wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde, beim AC Mailand. Deutschlands wichtigster Verein hat nun ebenfalls einen mutmaßlichen Steuersünder als Chef, der internationale Fußball eine Skandalnudel mehr. Wer Hoeneß im Amt lässt, sollte von Fifa-Reformen zukünftig schweigen.

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Von 2018 bis 2020 taz-Parlamentskorrespondent. Zuvor von 2013 bis 2018 Leiter der taz-Inlandsredaktion, von 2012 bis 2013 Redakteur im Meinungsressort. Studierte Politikwissenschaft in Berlin, danach Arbeit als freier Journalist für Zeitungen, Fachzeitschriften und Runkfunkanstalten, Pressesprecher eines Unternehmensverbands der Solarindustrie und Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik.

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