Nichtrauchergesetz in NRW: Tanz um die letzte Kippe

Am 1. Mai bekommt Nordrhein-Westfalen eines der strengsten Nichtraucherschutzgesetze der Republik. Die Gastro-Lobby fürchtet ein Kneipensterben.

Raucher müssen jetzt auch in NRW-Kneipen ohne Ausnahme draußen bleiben. Bild: dpa

BOCHUM taz | Wer den Bochumer Frank Holzhauer auf die Zukunft seiner Kneipe Absinth anspricht, zaubert Sorgenfalten in das Gesicht des Wirts. „Seit zwölf Jahren habe ich die Kneipe jetzt“, sagt er. „Kann aber sein, dass ich im Winter zumachen muss.“

Der 49-Jährige fürchtet das Rauchverbot, das an Ruhr und Lippe zum 1. Mai in Kraft tritt: Nordrhein-Westfalen bekommt eines der strengsten Nichtraucherschutzgesetze deutschlandweit.

In der gesamten Gastronomie darf nichts mehr qualmen – Ausnahmen gelten nur für geschlossene Gesellschaften wie Familienfeiern. Verboten sind außerdem E-Zigaretten und Shishas, bei Verstößen drohen Wirten wie Frank Holzhauer Geldbußen von bis zu 2.500 Euro.

Dabei läuft sein Absinth bisher gut – die Auswahl des namengebenden Getränks, mit dem sich schon die Impressionisten ins Koma soffen, und Essen für kleines Geld zieht auch Szenepublikum in den Laden am Rand der Innenstadt. Doch wenn im Winter der Biergarten mit seinen alten Bäumen – und der Freiheit, sich eine Kippe anzustecken – nicht mehr lockt, könnte es finanziell eng werden, glaubt der Gastronom.

Ähnlich strikt wie NRW reguliert sonst nur Bayern. In Baden-Württemberg und Bremen darf in Festzelten und Nebenräumen von Diskotheken weiter gepafft werden. In Hamburg und Berlin können kleine Kneipen mit weniger als 75 Quadratmeter Fläche zu Rauchergaststätten erklärt werden.

Grüne setzen sich durch

Nordrhein-Westfalens grüne Gesundheitsministerin Barbara Steffens hat das Rauchverbot gegen den Widerstand der Opposition aus CDU, FDP, Piraten sowie Teilen der sozialdemokratischen Basis durchgesetzt – im Düsseldorfer Landtag haben SPD und Grüne erst seit Mai 2012 eine eigene Mehrheit. „Ein bisschen Schutz beim Rauchen gibt es nicht“, hatte die Exraucherin gemahnt.

Auf die Unterstützung der Ärztekammern konnte sich Steffens dabei verlassen: Das bisherige, noch von der CDU-FDP-Regierung unter Jürgen Rüttgers verabschiedete Nichtraucherschutzgesetz beinhalte gerade für Bars, Restaurants und Kneipen viel zu viele Ausnahmeregelungen, kritisierte etwa Martina Pötschke-Langer vom Deutschen Krebsforschungszentrum – in Eckkneipen durfte in NRW bisher ebenso weitergequalmt werden wie in Raucherzimmern von Restaurants. Das führe dazu, dass „Nichtraucher bis heute den giftigen Schadstoffen im Tabakrauch ausgesetzt sind“.

FDP-Fraktionsvize Joachim Stamp erklärte die Grünen zum „Abbild eines neuen deutschen Spießertums“. CDU-Fraktionschef Karl-Josef Laumann sorgten „Existenzängste“ der Gastronomen.

Einbußen beim Umsatz befrüchtet

Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) in NRW fürchtet ein Kneipensterben. Gefährdet seien bis zu 3.000 Betriebe, sagt Sprecher Thorsten Hellwig – und rechnet vor: Um auf ein Monatsbrutto von 1.600 Euro zu kommen, brauche ein Kneipier einen Jahresumsatz von 140.000 Euro. Sollte das wegen des Rauchverbots nur um 20 Prozent sinken, blieben dem Wirt nach Abzug aller Fixkosten nur noch 1.000 Euro.

Die bayerische Gaststättenlobby argumentiert mittlerweile differenzierter – nach einem Volksentscheid gilt das strenge Rauchverbot dort bereits seit August 2010. „Große und speiselastige Betriebe hatten Umsatzzuwächse“, berichtet Dehoga-Sprecher Frank-Ulrich John aus München.

Die bayerische Gastronomie habe 2011 sogar ein Umsatzplus von 5,6 Prozent verzeichnet. „Je kleiner und getränkelastiger, desto größer die Umsatzeinbrüche bis zu Betriebsaufgabe“, sagt John. Jedoch: „Die klassische Eckkneipe hat’s schwer gehabt.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.