Flüchtlinge protestieren: Ein Camp auf der Verkehrsinsel

Seit über einem Monat leben afrikanische Flüchtlinge auf Hamburgs Straßen – ohne Unterstützung der Stadt.

Vorbild Berlin: Dort campen Flüchtlinge seit Oktober auf dem Oranienplatz. Bild: dpa

Rund 50 Aktivisten haben am Dienstag auf einer Verkehrsinsel vor dem Berliner Tor für die Rechte afrikanischer Flüchtlinge demonstriert. Sie hatten angekündigt, auf dieser Rasenfläche Zelte zu errichten, um dort zu übernachten – als Dauermahnwache und als Unterkunft. Denn der Protest soll auf die Lage von Hunderten Männern aufmerksam machen, die seit Mitte April obdachlos in Hamburg leben. Die betroffenen Flüchtlinge selbst waren nicht beteiligt, sie sollten, so die Aktivisten, keinen Ärger mit der Polizei bekommen.

Bereits seit Anfang des Jahres wenden sich immer mehr Afrikaner an Hamburger Hilfseinrichtungen und Essensausgaben. Sie stammen aus Libyen. Bereits 2011 waren sie dort vor der Arabischen Revolution geflüchtet und in Flüchtlingsunterkünften in Italien untergekommen. Im Februar gaben ihnen italienische Behörden allerdings Reisepapiere und schickten sie weiter nach Nordeuropa. Doch hier haben sie keinen Anspruch auf Unterkunft oder medizinische Versorgung.

Zunächst waren rund 150 Flüchtlinge im Winternotprogramm der Stadt untergekommen – bis es endete. „Diese Menschen leben seit vier Wochen auf der Straße“, sagt Ralf Lourenco von der Flüchtlingsorganisation Karawane. Viele von ihnen seien mittlerweile erkrankt. Das Bezirksamt Mitte hatte den Aktivisten allerdings verboten, ihre Zelte aufzuschlagen.

Gegen die Regeln des Asylverfahrens - insbesondere die Residenzpflicht - in Deutschland protestieren seit vergangenem Oktober auf dem Oranienplatz in Berlin-Kreuzberg Flüchtlinge in einem Camp.

Entstanden ist das Camp aus dem Protestmarsch von Flüchtlingen von Würzburg nach Berlin, der am 8. September 2012 begann.

Geduldet wird das Zeltdorf vom Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg.

Auch mit einem Hungerstreik am Brandenburger Tor haben die Flüchtlinge im vergangenen Herbst auf ihre Forderungen aufmerksam gemacht.

„Dies ist eine Grünfläche“, sagte Reinhard Krogmann vom Bezirksamt zu den Aktivisten, die im Regen bereits ein Zelt aufgebaut hatten. Das mussten sie dann angesichts massiver Polizeipräsenz wieder abbauen. „Hier ist das Übernachten grundsätzlich verboten.“ Lourenco widersprach. „Das ist eine Nothilfemaßnahme“, sagte er. Man habe lange genug verhandelt.

„Es ist eine sehr gefährliche Situation, in die wir hineingestoßen wurden“, haben die Flüchtlinge in einer Erklärung geschrieben. Bereits in der vergangenen Woche hatten sie Bürgerschaftsabgeordnete um Hilfe gebeten: „Wir appellieren eindringlich an alle Parteien und Institutionen, umgehend in direkten Kontakt mit uns zu treten und Lösungen zu finden“, schreiben sie.

Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) hatte den Flüchtlingen angeboten, eine Rückfahrkarte nach Italien zu bezahlen. Man habe „mit allen Flüchtlingen gesprochen, die im Rahmen des Winternotprogramms dort untergebracht waren“, sagt seine Sprecherin Nicole Serocka. Alle Flüchtlinge seien somit über ihre Rechte und Möglichkeiten informiert und „können selbst entscheiden, ob sie das Angebot der kostenlosen Rückfahrkarten nutzen möchten“.

Doch die Flüchtlinge sehen in Italien keine Perspektive. Schließlich hat man sie auch dort fortgeschickt.

„Der Senat versucht, diese humanitäre Katastrophe auszusitzen“, kritisiert Christiane Schneider, flüchtlingspolitische Sprecherin der Linksfraktion. Auch Vertreter der evangelischen Kirche appellierten im Rahmen der Protestaktion an die Stadt, den obdachlosen Afrikanern zu helfen.

Zum Abschluss der Demonstration zogen die Aktivisten dann mit den Flüchtlingen durch das Stadtviertel St. Georg und gaben eine Kundgebung vor dem Zentralen Busbahnhof. In den kommenden Tagen wollen die Aktivisten ihre Proteste fortsetzen.

Mit einer Dauermahnwache sei das Bezirksamt grundsätzlich einverstanden, sagte Krogmann, möglicherweise auch mit Zelten. Doch die dürften dann nur eine symbolische Funktion erfüllen und keine tatsächlichen Übernachtungsplätze bieten. „Ohne Zelte hat das keinen Sinn“, sagte Lourenco. Die Menschen benötigten ein Dach über dem Kopf.

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