Strafantrag gegen NSA-Enthüller: Ein Spion, wer die Spione verrät

Die USA haben Whistleblower Edward Snowden wegen Spionage angezeigt. Das Dokument blieb eine Woche geheim, während Präsident Obama Europa besuchte.

Die USA hätten ihn gerne hinter Gitter: Edward Snowden (Plakat in Hong Kong) Bild: ap

WASHINGTON taz | Der Knüppel ist aus dem Sack: Schon Tage, bevor Barack Obama sich in Berlin bejubeln ließ, hat ein Gericht in Virginia Strafantrag wegen Spionage und Diebstahl gegen Edward Snowden gestellt. Der eine Woche lang geheim gehaltene Entscheid ist erst an diesem Freitag – nach der Rückkehr des US-Präsidenten aus Europa – in Washington bekannt gegeben worden. Edward Snowden, der die massive Telefon- und Internet-Überwachung durch den US-Geheimdienst NSA an die Öffentlichkeit gebracht hat, drohen bis zu 30 Jahre Gefängnis.

Nach Informationen der New York Times haben die USA auch die Behörden in Hong Kong ersucht, ihn schon jetzt gefangen zu nehmen. Obwohl eine förmliche Anklage sowie ein Auslieferungsantrag erst in mehreren Wochen erwartet werden.

Snowden wird mit dem Strafantrag zum siebten Whistleblower, gegen den die Obama-Verwaltung Ermittlungen auf Grundlage des Spionagegesetzes eröffnet. Das Gesetz war im Jahr 1917, kurz nach Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg in Kraft getreten. Es richtete sich gegen Spione, die in Kriegszeiten die Feinde des Landes unterstützen.

Von Regierungsmitarbeitern, die Informationen über Misswirtschaft und andere behördliche Fehlentwicklungen an die Öffentlichkeit bringen, ist darin keine Rede. Erst die Obama-Verwaltung, die mehr Whistleblower verfolgt, als alle vorausgegangenen US-Verwaltungen zusammen, hat das Gesetz als Waffe in ihrem Vorgehen entdeckt.

Ein Recht auf Öffentlichkeit

„Rache-Mentalität“ und „extreme Exzesse“ sagte der Journalist Glenn Greenwald am Freitagabend über den Strafantrag gegen Snowden. Greenwald hat die Enthüllungen im britischen Guardian veröffentlicht. Der Journalist fügt hinzu, dass Snowden keine Informationen zu Feinden getragen hat, sondern dass er die US-Öffentlichkeit selbst über das ihr unbekannte Vorgehen ihres Geheimdienstes aufgeklärt hat. Snowden selbst hat mehrfach erklärt, dass die Öffentlichkeit ein Recht hat, zu erfahren, was die NSA tut.

Das Vorgehen der US-Justiz gegen Snowden ist die konsequente Verlängerung der bisherigen Verfolgung von Whistleblowern in den USA. Einer von ihnen, der ehemalige CIA-Mann John Kiriakou, sitzt gegenwärtig im Gefängnis, weil er einen Folterer, der „Waterboarding“ (simulierte Ertränkung) praktiziert hat, namentlich nannte.

Ein anderer, der Gefreite Bradley Manning, steht gegenwärtig in Fort Meade, wo sich auch der Hauptsitz der NSA befindet, vor einem Militärgericht. Manning hat – neben Hunderttausenden anderen Dokumenten – das als „Collateral Murder“ bekannt gewordene Video an die Öffentlichkeit gebracht. Es zeigt, wie US-Soldaten aus einem Militärhubschrauber über Bagdad auf Zivilisten am Boden schießen. Ihm droht lebenslängliche Haft.

Anklage aus der Militärregion

Der Strafantrag gegen Snowden stammt vom Freitag, 14. Juni. Erlassen hat sie das Bezirksgericht in Alexandria. Dasselbe Gericht hatte sich auch schon mit den Ermittlungen wegen angeblicher Spionage gegen den CIA-Mann Kiriakou befasst. Es befindet sich im Norden des Bundesstaates Virginia, in dem der militärisch industrielle Komplex ein zentraler Wirtschaftsfaktor ist.

Im Süden von Virginia liegen große Militärbasen und Waffenproduktionsstätten. Im Norden, unweit des Bezirksgerichtes, befindet sich das Pentagon sowie die Hauptsitze zahlreicher privater Rüstungsunternehmer, die in enger Zusammenarbeit mit der US-Regierung funktionieren. Eines dieser Unternehmen ist der Ex-Arbeitgeber von Snowden, Booz Allen Hamilton. Das auf „Cybersecurity“ spezialisierte Unternehmen hat Snowden wenige Tage nach dessen Enthüllungen aus Hong Kong entlassen.

Über Snowdens Zukunft machen sich derweil außer der US-Spitze auch zahlreiche Personen im Rest der Welt Gedanken. Der isländische Geschäftsmann Olafur Vignir Sigurvinsson bietet ihm an, ihn mit einem Privatflugzeug nach Reykjavik zu fliegen, damit er dort Asyl beantragen kann. Unterdessen setzt Snowden, wie von ihm zuvor angekündigt, seine Enthüllungen fort. Zuletzt veröffentlichte der Guardian Details darüber, wie der britische Geheimdienst GCHQ Hunderte Millionen Telefondaten abzapft und sie mit der NSA abgleicht.

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