Staatskrise in Ägypten: Panzer fahren auf

Die Regierungskrise spitzt sich nach Ablauf des Armee-Ultimatums zu. Präsident Mursi will durchhalten. In Kairo rollen erstmals wieder Panzer durch die Straßen.

Mursi-Gegner mit einem Banner mit der arabischen Aufschrift „verschwinde“ auf dem Tahrir-Platz in Kairo. Bild: dpa

KAIRO afp/rtr | Nach dem Ablauf des Ultimatums der ägyptischen Armee an Staatschef Mohammed Mursi hat sich die Staatskrise weiter zugespitzt. In der Nähe von Demonstrationen der Mursi-Anhänger fuhren am Mittwochabend Dutzende Panzer auf.

Zuvor hatte der islamistische Staatschef eine Regierung der nationalen Einheit als Ausweg aus der Staatskrise angeboten, anstatt den ultimativen Forderungen der einflussreichen Armee zu entsprechen.

Der politische Fahrplan des Militärs sieht nach einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur vor, dass nach einer kurzen Übergangsphase Präsidenten- und Parlamentswahlen stattfinden sollen. Der Plan soll in Kürze von Vertretern der Religionsgruppen sowie Oppositionsführer Mohamed ElBaradei präsentiert werden, hieß es Mittwochabend kurz vor 21 Uhr.

Aus Militärkreisen verlautete nach Angaben der Nachrichtenagentur Mena, es gebe ein massives Truppenaufgebot in den Vierteln Nasr City, Heliopolis und in der Nähe der Universität. Mursis Sicherheitsberater Essam al-Haddad hatte der Armee zuvor einen Staatsstreich vorgeworfen.

Ds ist ein „Militärputsch“

„Im Interesse Ägyptens und für die historische Genauigkeit, lasst uns das, was passiert, beim Namen nennen: ein Militärputsch“, erklärte al-Haddad im Online-Netzwerk Facebook.

Die Armee hatte Mursi in ihrem Ultimatum nach tagelangen Massenprotesten aufgefordert, die Krise beizulegen und den Forderungen der regierungskritischen Demonstranten nachzukommen. Die Streitkräfte drohten zugleich an, anderenfalls würden sie selbst einen Fahrplan für einen Ausweg aus der Krise verkünden und die Umsetzung der entsprechenden Maßnahmen überwachen.

Verteidigungsminister und Armeechef Abdel Fattah al-Sissi traf bereits vor dem Ende des Ultimatums in Kairo mit Oppositionssprecher Mohammed ElBaradei sowie Vertretern anderer politischer und religiöser Kräfte zusammen, um mit ihnen über den Fahrplan zu beraten.

„Wir schwören vor Gott“

Zuvor waren die Chefs der ägyptischen Streitkräfte zu einer Dringlichkeitssitzung zusammengekommen. Wie aus Armeekreisen verlautete, leisteten sie zu Beginn der von al-Sissi geleiteten Sitzung einen Eid: „Wir schwören vor Gott, dass wir für Ägypten und sein Volk unser Blut gegen alle Terroristen, Extremisten und Unwissenden opfern werden.“

Auf dem Tahrir-Platz demonstrierten weiter zehntausende Menschen für Mursis Rücktritt. Der Präsident bot lediglich eine Regierung der nationalen Einheit zur Beilegung der Krise an. „Die Präsidentschaft zieht die Bildung einer Koalitionsregierung des Konsenses in Betracht, um die nächste Parlamentswahl zu beaufsichtigen“, teilte Mursis Büro via Facebook mit.

Nach Ablauf des Ultimatums verlautete aus Sicherheitskreisen, gegen Mursi sowie gegen mehrere führende Mitglieder der islamistischen Muslimbruderschaft sei ein Ausreiseverbot verhängt worden. Die Anordnung „hochrangiger Sicherheitsvertreter“ stehe im Zusammenhang mit ihrer mutmaßlichen Verwicklung in einen Ausbruch aus dem Gefängnis Wadi Natrun im Januar 2011.

Gefängnisausbruch der Muslimbrüder

Vertreter des Flughafens in der Hauptstadt Kairo bestätigten, dass es eine Anordnung gebe, Mursi und führende Muslimbrüder, darunter ihren Obersten Führer Mohammed Badie und seinen Stellvertreter Chairat al-Tschater, an Auslandsreisen zu hindern. Den Muslimbrüdern wird vorgeworfen, den Gefängnisausbruch von mehr als 30 Gefolgsleuten mithilfe der palästinensischen Hamas und der libanesischen Hisbollah-Miliz organisiert zu haben.

Die US-Regierung äußerte sich besorgt über die Krise in Ägypten, einem wichtigen Akteur im Nahen Osten. In den Vorschlägen Mursis fehlten offenbar „entscheidende Elemente“, sagte eine Sprecherin des Außenministeriums in Washington.

US-Verteidigungsminister Chuck Hagel telefonierte mit al-Sissi. Hagels Sprecher George Little sagte nichts zum Inhalt des Gesprächs, versicherte aber, Washington unterstütze den „demokratischen Prozess“ in Ägypten und ergreife in der gegenwärtigen Krise nicht Partei.

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