Spanien kickt in Äquatorialguinea: „Reinwaschung der blutigen Diktatur“

Mit dem Freundschaftsspiel hat sich der spanische Fußball keinen Gefallen getan: Afrikas dienstältestem Diktator wurde in Äquatorialguinea die Ehre erwiesen.

Das Spiel gegen Spanien fand im Stadtion der Hauptstadt Malabo statt Bild: ap

Spanien trat mit der Ersatzelf an, es ging auswärts gegen den 119. der Weltrangliste, aber immerhin, „Manolo el del Bombo“, der weltbekannte Edelfan mit Trommel, war auch mitgekommen nach Äquatorialguinea. Bei der Ankunft am Flughafen der Hauptstadt Malabo wurde er von den wartenden Einheimischen mit Nationaltrainer Vicente del Bosque verwechselt und entsprechend besungen; eine der hübscheren Episoden eines Spiels, die sich der übertragende Fernsehsender Telecinco nicht zu schade war, als „partidazo“ anzukündigen, als Riesenspiel, das aber vielleicht besser „grotescazo“ geheißen hätte: die große Groteske.

Äquatorialguinea wird vom dienstältesten Diktator Afrikas regiert und ist eines der zynischsten Regime der Welt. Die Liste der Menschrechtsverletzungen unter Teodoro Obiang reicht von Folter über Verschleppung zu Mord. Nebenher rafft der Clan des seit 1979 amtierenden Machthabers den beträchtlichen Reichtum aus den drittgrößten Erdölvorkommen des Kontinents zusammen.

Laut der Zahlen von Weltbank und Internationalem Währungsfonds hat Äquatorialguinea das höchste Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner in ganz Afrika und liegt im globalen Vergleich nur knapp hinter Spanien. Dennoch leben 80 Prozent der rund eine Million Menschen in bitterer Armut.

Dass Spanien ausgerechnet dort seine glanzvollsten Botschafter auftreten ließ, sorgte bei Kennern der Materie für Entsetzen. „Diese Spiel wäscht eine brutale und blutige Diktatur rein“, kritisierte die Exilopposition, derweil im Parlament in Madrid vier Parteien zum Boykott aufforderten. Die Regierung verwies jedoch auf eine autonome Entscheidung des Fußballverbands RFEF, der auf eine Unbedenklichkeitserklärung des Außenministeriums. Der Kleinstaat ist Spaniens einzige Exkolonie in Schwarzafrika, man unterhält enge Geschäftsbeziehungen.

Auch der Nationaltrainer von Äquatorialguinea ist ein Spanier, der Baske Andoni Goikoetxea – berühmt geworden in den 1980er Jahren als „Schlächter von Bilbao“, weil er unter anderem Bernd Schuster und Diego Maradona für Monate aus dem Verkehr trat. Mit dem Diktator habe er keinen Kontakt, versicherte Goicoetxea, aber den Aufschrei gegen das Spiel verstehe er trotzdem nicht. „Es gab Olympia in China, es wird eine WM in Katar geben. Wo liegt der Unterschied?“

Irgendwie stellvertretend für das Gute

Womöglich darin, dass die Praxis, internationale Sportveranstaltungen an fragwürdig beleumundete Staaten zu vergeben, dem IOC, der Fifa und der Uefa einen guten Teil ihres miserablen Rufs eingetragen hat. Dass die „selección“ zuletzt hingegen exzellentes Renommee genoss, weil sie viel gewann und ihr Spiel irgendwie als stellvertretend für das Gute wahrgenommen wurde. Nun ermöglichte sie einem Tyrannen, sein Volk in Opium zu nebeln. Zehntausende verfolgten schon das Training der Welt- und Europameister, während Transparente davon kündeten, wer das ganze Spektakel erst ermöglicht hatte: „Danke, Obiang“.

Immerhin gelang es der spanischen Fußballdiplomatie, den von Gastgeberseite angestrebten Handshake zwischen Fußballgöttern und Diktator zu verhindern. Obiang blieb dem Spiel fern. Der Präsident weihe ein Heim für behinderte und obdachlose Kinder ein, hieß es. Dafür prahlte sein Sohn und Fußballbeauftragter Ruslan Obiang umso ungenierter damit, wie viele Fotos er sich mit Casillas, Iniesta und Kollegen habe machen lassen.

Um seinen Ruhm mehren zu lassen, scheut das Regime keinen Aufwand. Während die Frauenauswahl bei ihrem WM-Auftritt 2011 in Deutschland vom Verdacht begleitet wurde, mit Männern aufzulaufen, handelt es sich beim offiziellen Herrenteam um eine wild zusammengekaufte Söldnertruppe. Nur drei Nationalspieler sind in Äquatorialguinea geboren. Wohin das führen kann, zeigte sich, als der Brasilianer Claudiney Rincon, voriges Jahr mit acht weiteren Landsleuten eingebürgert, diesen Sommer während einer Länderspielreise an Malaria starb.

Heuchelei des Fußballverbandes

Dass die RFEF den Trip zur Entwicklungshilfe am afrikanischen Fußball erklärte, ist vor diesem Hintergrund bestenfalls tragikomisch – vor allem aber geheuchelt, denn ursprünglich hatte Spanien in Gabun spielen wollen, doch offenbar bekam man dort die kolportierte Standardgage für den Weltmeister in Höhe von 3,8 Millionen Euro nicht zusammen.

Weil auf dem Weg nach Südafrika, wo am Dienstag in Soccer City noch einmal der Titelgewinn nachgefeiert wird, aber noch ein Termin belegt werden musste, wurden eilig die Kontakte in die Exkolonie angezapft. Laut RFEF trat Spanien gratis auf. Die Opposition in Äquatorialguinea wollte hingegen erfahren haben, dass sich Obiang den Spaß rund 15 Millionen Dollar kosten ließ.

Dafür bekam der Diktator ein erstaunlich ausgeglichenes Spiel geliefert. Spanien gewann nur knapp 2:1 und schimpfte, weil der – einheimische – Schiedsrichter auch rustikalste Tacklings tolerierte, was zu einer Verletzung bei Xabi Alonso führte. Wenigstens bekamen die Spieler – während ihres Aufenthalts in einem Luxushotel mit Privatstrand untergebracht – so noch einen Eindruck von der harten afrikanischen Realität. Auch wenn die ihnen letztlich Brasilianer beibrachten.

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