Umweltschutz in Argentinien: Der Riachuelo stinkt weiter
Im Viertel La Boca in Buenos Aires befindet sich der Fluss Riachuelo, einer der schmutzigsten Orte der Welt. Seine Sanierung geht nur schleppend voran.
BUENOS AIRES ap | La Boca mit seinen Tangolokalen, den kleinen bunten Häusern und den Straßenrestaurants ist eine Touristenattraktion. In keinem Reiseführer bleibt dieser Stadtteil von Buenos Aires unerwähnt. Urlauber flanieren durch die Fußgängerzone El Caminito, vorbei an Geschäften, Cafés und Clubs.
Nur wenige hundert Meter entfernt fließt der Fluss Riachuelo – doch er ist alles andere als eine Sehenswürdigkeit: Nach der aktuellen Studie zweier Umweltorganisationen, darunter das Grüne Kreuz in der Schweiz, zählt der Fluss zu den zehn schmutzigsten Orten der Welt.
Braun-graues Wasser fließt durch das Flussbett; der Gestank durchdringt an manchen Tagen fast ganz La Boca. „Ich rieche es bei mir im Haus“, sagt Edgardo Gómez. „Oft kann ich die Fenster gar nicht öffnen. Wann wird die Reinigung endlich abgeschlossen sein?“
Eine Frage, die sich viele Menschen in Buenos Aires stellen. Etwa 3,5 Millionen Menschen wohnen in den südlichen Bezirken der argentinischen Hauptstadt, dem Einzugsgebiet des gut 60 Kilometer langen Riachuelo. Dessen Verunreinigung begann bereits vor Jahrhunderten: Schon im 16. Jahrhundert entsorgten Menschen tote Tiere und Abfälle in dem Gewässer, im 19. Jahrhundert entstanden am Ufer Salzfleischfabriken; die Abwässer wurden in den Fluss geleitet. Heute gelangen die Abwässer zahlreicher Unternehmen in den Riachuelo, darunter viele Schwermetalle und Säuren.
Abwässer der Fabriken
Der Untersuchung der Umweltorganisationen zufolge leiten etwa 15.000 Fabriken ihre Abwässer ungefiltert in den Fluss. Trinkwasser, das aus Brunnen in der Nähe des Riachuelo gewonnen werde, sei zum Großteil ungenießbar, hieß es weiter. Umweltminister Juan José Mussi kritisierte den Umweltreport als „übertrieben“. Aber auch er musste einräumen, dass das Problem der Gewässerverunreinigung bis jetzt nicht gelöst worden sei. Dabei war genau dies vor fünf Jahren vom Obersten Gerichtshof des Landes angeordnet worden – einen Plan auszuarbeiten, wie der Riachuelo gerettet werden könnte.
Nur eine langfristige Lösung sei möglich, die überdies sehr viel Geld kosten würde, sagt Raúl Estrada Oyuela, Mitglied der Akademie für Umweltwissenschaften. „Erforderlich sind politischer Wille und strenge Maßnahmen“, betont er. So müsse den Unternehmen strikt untersagt werden, Abwässer in den Fluss zu leiten. Im Wasser des Riachuelo sind hohe Werte an Arsen, Kupfer, Zink oder Blei nachgewiesen worden. Schwermetalle haben sich im Schlick abgesetzt, er müsste abgetragen werden.
Argentinische Umweltschützer räumen ein, dass einiges schon getan worden sei. So seien Schiffswracks, die auf dem Grund lagen, gehoben und entsorgt worden. Aber das reiche nicht aus, mehr Geld sei notwendig, und dann sei es immer noch ein langer Weg, bis der Fluss wieder einigermaßen sauberes Wasser führe.
Verunreinigtes Flussbett
Eine vollständige Sanierung könne 30 Jahre dauern, meint Lorena Pujo, Greenpeace-Koordinatorin. Denn die Fabriken müssten zunächst andere Wege finden, ihre Abfälle zu entsorgen. Anschließend müssten Tonnen verunreinigten Schlammes aus dem Flussbett gehoben werden. „Das Wichtigste ist jetzt, dass wir eine Einigung erzielen darüber, dass keine industriellen Abfälle mehr in den Fluss geleitet werden“, sagt sie.
Nach Angaben der zuständigen Wasserschutzbehörde sind bereits 891 Fabriken dabei, ihre Produktionsabläufe so zu verändern, dass kein verseuchtes Abwasser mehr in den Riachuelo strömt. 411 Unternehmen hätten dies schon umgesetzt, erklärt die Behörde, die auch betont, dass bislang umgerechnet etwa 165 Millionen Euro im Kampf gegen die Verunreinigungen aufgewendet worden seien.
Auf Fortschritte verweisen auch Umweltexperten, darunter Marisa Arienza vom Grünen Kreuz in Argentinien. In der aktuellen Studie sei dies nicht ausreichend berücksichtigt worden. Aber, so betont Arienza, am grundsätzlichen Problem ändere dies nichts. „Ob der Riachuelo auf der Liste nun auf Platz acht oder Platz 20 landet, ist egal“, sagt sie. „Zweifellos ist er einer der schmutzigsten Orte der Welt.“
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