Chaos um neues Zahlungssystem Sepa: Berlin widerspricht Brüssel
Heute so, morgen so: Die Bundesregierung ist offenbar gegen eine Verschiebung des neuen Überweisungs-verfahrens Sepa.
BERLIN rtr/dpa | Es ist nur eine kleine Reform der Kontonummern und Bankleitzahlen – und schon bricht Chaos in halb Europa aus. Nachdem die EU-Kommission am Donnerstag die Frist für die Einführung des ungeliebten europäischen Zahlungssystems Sepa um ein halbes Jahr auf August verschoben hat, sind plötzlich alle total irritiert.
Am Freitag warnte die Bundesregierung davor, dass die von Brüssel gewollte sechsmonatige Fristverlängerung die Einführung von IBAN und BIC sogar weiter erschweren könnte. Das Bundesfinanzministerium erklärte in Berlin, zumindest im größten Mitgliedsland mit den meisten Überweisungen sei der Aufschub unnötig.
„Wir gehen davon aus, dass die Einführung und Umstellung eigentlich zum 1. Februar, wie es bislang vorgesehen ist, zu schaffen ist und auch in Deutschland klappen würde", sagte eine Sprecherin von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Das Ministerium rief alle Beteiligten auf, beim Sepa-Projekt nicht nachzulassen. Wie sich die Bundesregierung bei der Abstimmung über die Vorschläge von EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier verhalten wird, ließ die Sprecherin offen.
Um einen Vorschlag handelt es sich nämlich zunächst nur: EU-Parlament und EU-Rat, also die Regierungen der Mitgliedsländer, müssen Barniers Plänen noch zustimmen. Barnier hatte wohl auch mit Blick auf Länder wie Deutschland eine Verschiebung des Sepa-Projekts angeregt und vor einer Störung des europäischen Zahlungsverkehrs gewarnt. Geldtransfers von Unternehmen und Vereinen sollten danach im bisherigen Format noch bis zum 1. August möglich sein. Für Verbraucher gilt eine längere Frist bis 1. Februar 2016. Daran soll sich nichts ändern. Das gilt ebenso für den Einzelhandel beim Bezahlen mit EC-Karte.
Deutschland hinkt bei der IBAN hinterher
Daueraufträge, etwa für die Miete, müssen gar nicht umgestellt werden - das erledigen die Banken automatisch. In Deutschland ist die Überweisung mit den 22-stelligen IBAN-Kontonummern kurz vor dem geplanten Starttermin wenig umgesetzt. Laut einer Aufstellung der Bundesbank trugen im November erst 32 Prozent der deutschen Überweisungen eine IBAN und die europäische Bankkennung BIC. In Ländern wie Finnland, der Slowakei oder Slowenien war da schon fast die 100-Prozent-Quote erreicht. Auch die europäischen Notenbanken lehnen offenbar Barniers Plan ab.
Schon bei einem Treffen von Zentralbankvertretern und EU-Kommission im Dezember seien die Widerstände deutlich geworden, berichtet am Freitag die Frankfurter Allgemeine Zeitung. "Alle waren dagegen", hieß es laut der Zeitung in Zentralbankkreisen. Die Notenbanken wollen demnach höchstens eine Verschiebung um drei Monate akzeptieren. Einige Vorstände von Notenbanken hätten angekündigt, bei den Regierungen auf eine Ablehnung des Vorschlags hinzuwirken, schreibt die FAZ.
Die Bundesbank hatte am Donnerstag erklärt, alle Marktteilnehmer sollten weiterhin auf eine Umstellung zum 1. Februar hinarbeiten. Keinesfalls dürfe der Vorschlag aus Brüssel zu einer Verunsicherung bei den Umstellungsbemühungen führen. Die Bundesbank sei überzeugt gewesen, dass das bisherige zeitliche Ziel noch zu erreichen sei. Sepa soll bargeldlose Überweisungen in Europa erleichtern – vor allem gut für Konzerne, die international tätig sind.
Verbraucherschützer kritisieren allerdings Nachteile für Konsumenten. Die neuen Codes sind lang. Außerdem problematisch: Wer bei den Codes Zahlendreher produziert, muss sich künftig selber um fehlgeleitete Überweisungen kümmern. Mit SEPA bekommt jeder Kontoinhaber eine neue 22-stellige Kontonummer, die so genannte IBAN (International Bank Account Number/Internationale Bankkontonummer). Sie ersetzt die alten Kontonummern und Bankleitzahlen, führt diese aber auch weiter: Eine korrekte IBAN in Deutschland besteht aus dem Länderkürzel DE, einer zweistelligen Prüfziffer sowie der Kontonummer und Bankleitzahl hintereinander geschrieben.
Neu merken muss man sich somit für seine eigene Bankverbindung lediglich das Länderkürzel DE und die Prüfziffer. Sepa ist der aus 33 Staaten bestehende Einheitliche Euro-Zahlungsverkehrsraum. Dazu gehören die 28 EU-Staaten sowie Island, Liechtenstein, Norwegen, die Schweiz und Monaco. Im Zuge der Umstellung müssen insbesondere Unternehmen ihre Buchungssoftware für Sepa anpassen und neue Daten für die Bankverbindungen ihrer Kunden erfassen.
Leser*innenkommentare
Ergänzung
Gast
Das verursacht alles KOSTEN.
Und in der jetzigen Niedrigzinsphase verschlechtert es unnötig die Rentabilität der Sparkassen und Banken.
In strukturschwachen Regionen ist es entscheidend, dass diese
Arbeitsplätze nicht verloren gehen!!!
Mit Zwang würde ich in einer echten Demokratie sehr, sehr behutsam umgehen!
Und was die Software anbelangt,
die Firmen sollten ihre Backups mindestens haben und über eine Übergangszeit auch beides zulassen können. Das darf kein Argument sein.
Außerdem geht es nicht bei diesen Regelungen nicht um die Ausnahmen, sondern um den besten Nutzenfall für die Allgemeinheit.
Das ist typisch für die EU. Man sieht einen kleinen Mißstand und vergrößert und verschlimmert ihn. Überweisungsträger mit Länderkürzelvordruck, neben den genauen Kreditinstitutnamen und Versendung aller Informationen
des Überweisungsträgers, hätten vollkommen gereicht!!!
Und eigentlich hätte man sogar nur die Softwarespezifikationen
für EU-Überweisungen lediglich bei allen Banken und Sparkassen
anpassen müssen. Die KundInnen hätten vollkommen unbehelligt bleiben können!!! Das ist schlechte Politik. Und dieses Update hätte zwanglos beim nächsten fälligen Update eingespielt werden können!!
Die Reform ist grauenhaft!
Gustav
Gast
"...Die SEPA-Reform ist tatsächlich notwendig. Wer wie ich immer mal wieder übers Internet Dinge von Privat kauft und an eine Adresse im einen Land schicken lässt, die Rechnung aber über ein Konto in einem anderen Euro-Land bezahlt, muss jedesmal feststellen, dass die Leute immer noch nur Kontonummer und BLZ angeben. Indem wenigstens Firmen und Vereine gezwungen werden, das zu ändern, wird sich allmählich das Bewusstsein ändern.
..."
Was ist genau das Problem??
Worin liegt die vermeintliche
Ungerechtigkeit?
Die Länderkennung anzugeben, könnte man ja auch von den Bankinstituten verlangen.
Eigentlich müßte das so oder so Standard sein, aber das rechtfertigt nicht, dass das
Fehlbuchungsrisiko auf die KundInnen abgewälzt wird und es rechtfertigt nicht das die Menschen unnötige Kosten
für neue Überweisungsträger und schlechte Programme getätigt werden.
Noch ein Gast
Gast
Die SEPA-Reform ist tatsächlich notwendig. Wer wie ich immer mal wieder übers Internet Dinge von Privat kauft und an eine Adresse im einen Land schicken lässt, die Rechnung aber über ein Konto in einem anderen Euro-Land bezahlt, muss jedesmal feststellen, dass die Leute immer noch nur Kontonummer und BLZ angeben. Indem wenigstens Firmen und Vereine gezwungen werden, das zu ändern, wird sich allmählich das Bewusstsein ändern.
Die Bedenken wegen der Durchführbarkeit der Fristverlängerung scheinen mir auf den ersten Blick tatsächlich überzogen zu sein. Da müssen doch schlimmstenfalls ein paar Broschüren neu gedruckt werden. Und die Banken werden sich entscheiden müssen, ob sie den Stichtag für die neue Software verschieben oder ein halbes Jahr lang die Firmen und Vereine in dieser Hinsicht wie Privatleute behandeln.
Auf den zweiten Blick: Wenn eine Bank die Software schon ganz fertig hat, müssen evt. aufwendige Tests und Zertifizierungen wiederholt werden. Das könnte tatsächlich ein Problem sein.
Peter Osten
Die Bundesregierung spricht wieder? Oder widerspricht sie?
Contra
Gast
Die Äußerung des Finanzministeriums ist grober Unfug.
Liefert letzlich vernünftige Dinge ab und schafft nicht noch mehr Verunsicherung! Eine Rücknahme oder Aufschiebung mag den Dünkel einiger KarrieristInnen etwas abträglich sein, aber das spielt nicht die entscheidende Rolle.
Die EU soll auch nicht prinzipielle Probleme durch dazugenommene
Scheinkrisen und Verwirrungen als Camouflagemanöver mißbrauchen.
Der europäische Markt profitiert von Sicherheit und Renommee.
Es ist schlecht, wenn sinnlose Verluste oder intransparente
Überweisungen, die Geschäftstreibenden frustrieren!
Und ob der Fehler wirklich am Kunden lag, ist auch nicht raus, weil
der Durchschlag vielfach abgeschafft wurde. Nachher kann man immer viel behaupten. Und wenn die Bankangestellten die Ziffern einfach falsch
ablesen, hat am Ende immer noch der Kunde, die Folgekosten zu tragen.
Ein unhaltbarer Zustand!
Keiner hat Geld zu verschenken, aber niemand ist vor Flüchtigkeitsfehlern oder Betrug komplett gewappnet.
Deshalb bessert SEPA nach, damit wenigstens Fehlüberweisungen rückgängig zu machen sind. Dann hat auch die sinnlose Verkomplizierung keine bedrohlichen Konsequenzen mehr.
Das neue SEPA-Verfahren ist sinnlos, weil diese Aufgaben(
Nationenkürzel,
Prüfziffern(die aber die Überweisungsträgerkorrektheit nicht prüfen),
Kontonummer
Bankleitzahl) problemlos bisher vom Computer zu erledigen waren und das auch weiterhin möglich wäre. Es ist ein technischer Rückschritt ohne
ethische Notwendigkeit. Diese Art der Rückwärtsentwicklung braucht Europa nicht!
Contra
Gast
Die Rückbuchung von fehlgeleiteten Geldbeträgen durch Zahlendreher muss immer noch möglich sein.
Und wenn bis November nur 32% der Unternehmen tatsächlich auf die neue IBAN vorbereitet waren, dann sollten die Deutschen ganz ruhig und freundlich, dankbar lächelnd Herrn Barniers Vorstoß entgegennehmen!
Die SEPA-Reform muss nicht zwingend pünktlich eintreten, sondern
muss in erster Linie den Markt gut tun und zwar eben nicht nur
den Großkonzernen!!
Der Sinn dieser Maßnahme ist unklar, weil die demokratische Mehrheit
davon keinen Vorteil hat. Es ist ein massiver Abbau des Verbraucherschutzes und der Sicherheit von Kleinunternehmen und Mittelständischen Unternehmen, die bei jeder Komplikation
von gekritzelten Kontonummern und Flüchtigkeitsfehlern mit Prozesskosten
und großen Folgeproblemen rechnen müssen.
Die Nationalbanken haben auch ihrerseits die Notwendigkeit dieser Maßnahme nicht erklärt. Und die Konzerne machen nur einen kleinen
Teil der Wertschöpfung aus. Die Zahlungssysteme müssen transparent
und rückverfolgbar sein. Korruption darf nicht als Fehlüberweisung tarnbar sein. Das System hat nicht noch mehr Schlupflöcher für Kriminalität zu liefern.