Krise in der Ukraine: Janukowitsch kündigt Neuwahl an

Der ukrainische Präsident Janukowitsch stellt vorgezogene Präsidentschaftswahlen in Aussicht – ohne einen Termin zu nennen. Die Opposition hat sich noch nicht geäußert.

Die Nacht war ruhig, doch die Demonstranten auf dem Maidan rüsten sich für neue Zusammenstöße mit der Polizei. Bild: reuters

KIEW dpa/rtr/ap/afp | Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch hat vorgezogene Präsidentschaftswahlen angekündigt. Er werde eine Neuwahl veranlassen, erklärte Janukowitsch am Freitag in Kiew. Ein Datum wurde in der Mitteilung allerdings nicht genannt. Zugleich erklärte Janukowitsch, er akzeptiere die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit und eine Verfassungsreform. Diese habe das Ziel, zur Verfassung von 2004 zurückzukehren. Damit müsste der Präsident Macht an die Regierung und das Parlament abgeben.

Regierung und Opposition hatten seit Donnerstag unter europäischer Vermittlung über einen Ausweg aus der schweren politischen Krise in der Ukraine verhandelt. Am Freitagmorgen verkündete dann zunächst der Präsidentenpalast eine Einigung mit der Opposition. Nach Angaben aus EU-Kreisen soll noch am Freitag ein vorläufiges Abkommen unterzeichnet werden. Die Opposition äußerte sich zunächst jedoch nicht. Sie hatte bislang stets den sofortigen Rücktritt des Staatschefs gefordert.

In Kiew flammt die Gewalt indes wieder auf. Die Polizei berichtete am Freitag, Regierungsgegner hätten in der Nähe des Maidan das Feuer auf Sicherheitskräfte eröffnet. Die Schüsse seien erwidert worden.

Irritationen löste das Eindringen bewaffneter Polizisten in das Parlamentsgebäude während einer Krisensitzung aus. Wenig später verließen die Polizisten nach Oppositionsangaben das Gebäude wieder. Dort kam es während einer Sitzungspause zu Schlägereien zwischen mehreren Abgeordneten. Dadurch verzögerte sich die Debatte über eine Beschränkung der präsidialen Vollmachten.

Warnung vor vorschnellem Optimismus

Die Gespräche einer EU-Delegation mit Janukowitsch und der Opposition in Kiew dauerten fast die gesamte Nacht. Am Freitagmorgen wurden sie unterbrochen. Zunächst hieß es, sie sollten am Vormittag fortgesetzt werden. Im Umfeld von Außenminister Frank-Walter Steinmeier war von „sehr schwierigen Verhandlungen“ die Rede. Der französische Außenminister Laurent Fabius, der an den Verhandlungen beteiligt ist, warnt vor vorschnellem Optimismus.

Die EU hat einen Fahrplan vorgeschlagen, der unter anderem die Bildung einer Übergangsregierung innerhalb von zehn Tagen, eine Verfassungsreform sowie vorgezogene Parlaments- und Präsidentschaftswahlen noch in diesem Jahr vorsieht. Bei den blutigen Straßenkämpfen von Regierungsgegnern und Sicherheitskräften kamen seit Dienstag nach offiziellen Angaben mindestens 77 Menschen ums Leben. Hunderte wurden verletzt.

Die Gespräche im streng gesicherten Präsidialamt werden auf europäischer Seite von Außenminister Steinmeier und seinem polnischen Kollegen Radoslaw Sikorski geführt. Inzwischen hat sich auch ein russischer Vermittler eingeschaltet, der scheidende Menschenrechtsbeauftragte Wladimir Lukin. Für die Opposition nehmen Vitali Klitschko, Arseni Jazenjuk und Oleg Tjagnibok teil.

Kreditwürdigkeit heruntergestuft

Wegen der anhaltenden Unruhen hat die US-Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) die Kreditwürdigkeit der Ukraine zum zweiten Mal innerhalb von drei Wochen herabgestuft. S&P senkte die Bonitätsnote für langfristige Schuldtitel um eine Stufe auf CCC. Es droht eine weitere Herabstufung, denn die Experten beurteilen den Ausblick als negativ. Die Lage in der Ukraine habe sich erheblich verschlechtert und das Risiko von Zahlungsausfällen sei gestiegen, begründete die Ratingagentur ihre Entscheidung. Es wachse die Unsicherheit, ob Russland die Ukraine in diesem Jahr weiter unterstützen werde.

Damit wächst auch der Druck auf Janukowitsch, der einen Staatsbankrott abwenden muss und deshalb auf ausländisches Kapital angewiesen ist. Die Ukraine stoppte bereits die Ausgabe von fünfjährigen Anleihen im Volumen von zwei Milliarden Dollar. Die Regierung hatte gehofft, dass Russland die Papiere kauft.

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