Tino Hanekamp über sein Stück "Born Rich": „Die Welt der Erben ist kaum erforscht“

Kommenden Donnerstag startet „Born Rich“ auf Kampnagel. Tino Hanekamp über das Reichsein, Luxusprobleme und eine Schauspielerin, die er mit einem Atomkraftwerk vergleicht.

"Mittelstandskinder wie wir": Maria Magdalena Ludewig und Tino Hanekamp. Bild: Peter Hoennemann

taz: Herr Hanekamp, was ist Reichtum?

Tino Hanekamp: Vor allem eine Frage der Perspektive. Von einem Flüchtlingscamp aus betrachtet oder einem Dorf im Südsudan sind wir alle reich geboren. Einfach, weil wir in einem Land leben, in dem kein Krieg herrscht, in dem man nicht hungern muss, in dem man zur Schule gehen kann und zum Arzt.

Sind die Probleme, die in Ihrem Stück angesprochen werden, nicht auch Luxusprobleme?

Das kann man so sehen. Es ist auf jeden Fall eine luxuriöse Situation, wenn man die Wahl hat: Wo und was arbeite ich? Was esse ich? Was ziehe ich an? Wo mache ich Urlaub? Ich kann zum Therapeuten gehen, um mich selbst zu erforschen, weil ich die Zeit habe und die Möglichkeit. Ich kann mich fragen, was ich mit meinem Leben anstellen will, mit diesem Möglichkeitsraum. Damit kann ich mich beschäftigen – und dabei trotzdem unglücklich sein. Gründe gibt’s genug, auch wenn man reich ist. Man muss ja nur mal auf die Straße gehen. Oder in den Spiegel sehen. Zu sagen: „Das ist ein Luxusproblem, also ist es kein Problem“, bringt einen auch nicht weiter.

Wie kommt man dann auf die Idee, ein Stück über die Sorgen von reichen Erben zu machen? Weil man sich in deren Sorgen so gut spiegeln kann. Das hat eine Brennglasfunktion. Wir sind alle „Born Rich“. Und ich rede hier nicht von den Geschundenen und Geknechteten, sondern von Mittelstandskindern wie mir. Außerdem ist die Welt der Erben kaum erforscht.

Wie haben Sie und Maria Magdalena Ludewig zusammengefunden?

Sie hat vor Jahren in meinem damaligen Club Uebel & Gefährlich ihr Stück „Dream Girls“ aufgeführt. Da haben wir uns kennengelernt und angefreundet und fanden, wir sollten mal was zusammen machen. Dann hatte sie die Idee zu „Born Rich“ und hat mich gefragt, ob ich Lust hätte. So kam eins zum anderen.

Es gibt nur eine Schauspielerin …

34, ist in Hamburg vor allem für seinen Musiktclub Uebel & Gefährlich bekannt. Sein Debütroman "So was von da" (2011) wurde am Hamburger Schauspielhaus inszeniert. Das Stück "Born Rich" entstand in Zusammenarbeit mit Maria Magdalena Ludewig

Ja, und die ist ein Atomkraftwerk. Sie kann quasi hundert Rollen auf einmal spielen. Außerdem: Wenn man allein auf der Bühne steht, ist man unweigerlich auf sich selbst zurückgeworfen. So geht’s den Reichen auch. Es gibt weniger Entschuldigungen, die eigenen Möglichkeiten nicht zu nutzen.

und die drei Hunde?

Dazu sag ich nichts. Das müssen Sie die Regisseurin fragen, die hat aber gerade Probe.

Aber es ist ein Stück über die Erbengeneration?

Ja. Wir haben eine Person, die vielfach aufgefächert ist, um das Phänomen von allen Seiten zu betrachten. Letztlich ein Mensch, der mit sehr viel Geld geboren wurde, das von seinen Vorfahren stammt, und das er niemals wird ausgeben können. Was macht das mit einem? Was bringt das mit sich, an Möglichkeiten und Unmöglichkeiten? Und wie geht man damit um? Das ist eine verborgene Welt, auf die viel projiziert wird, von der wir aber kaum etwas wissen. 2003 zeigte Jamie Johnson, selbst Milliardenerbe, mit seinem Dokumentar-Film „Born Rich“, wie es in dieser Welt aussieht. Das war damals ein Tabubruch in den USA, weil er diese Welt von innen heraus beleuchtet hat. Aber das Leben der Erben bietet auch eine hervorragende Spiegelfläche für unser Leben.

Sie sagten, der Film „Born Rich“ habe damals ein Tabu gebrochen. Waren die Reichen Deutschlands bereit, aus dem Nähkästchen zu plaudern?

Wir haben viele Leute kontaktiert, quasi Betroffene, haben ungefähr ein Dutzend Interviews geführt. Die waren überraschenderweise sehr auskunftsfreudig, weil sie das, glaube ich, gut fanden, dass es da ein aufrichtiges Interesse gab an ihrer Lebensrealität. Außerdem war das ja alles anonym. Viele ihrer Probleme fand ich sehr nachvollziehbar. Das Wort Geldsorgen bekommt da auf jeden Fall noch mal eine ganz neue Bedeutung. Zu Beginn dachte ich noch: „Ja dann gib’ mir doch das Geld, du armer Reicher!“ Doch je länger ich mich damit beschäftige, desto weniger weiß ich, ob ich das wirklich will.

■ „Born Rich“: 13.–16. März, jeweils 20 Uhr, Kampnagel
Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.