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Europäischer Gerichtshof berätHartz IV für arbeitslose EU-Bürger?

Vor dem Europäischen Gerichtshof klagt eine Rumänin auf Arbeitslosengeld II. Dänemark, Irland und Großbritannien stützen die deutsche Position.

Luxemburg berät über Hartz IV für Einwanderer. Bild: dpa

LUXEMBURG taz | Können arbeitslose EU-Bürger in Deutschland Hartz IV beziehen? Dieser Streit beschäftigt seit Monaten die deutsche Innenpolitik. Jetzt beschäftigte sich erstmals der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit dem Problem.

Konkret ging es um den Fall der 24-jährigen Rumänin Elisabeta Dano. Das Jobcenter Leipzig hatte ihren Hartz-IV-Antrag unter Verweis auf die deutsche Rechtslage abgelehnt. Danach haben EU-Ausländer keinen Anspruch auf Hartz IV, wenn sie nach Deutschland kommen, um Arbeit zu suchen. Ausgeschlossen sind in den ersten drei Monaten auch wirtschaftlich inaktive EU-Bürger.

Grundsätzlich sind solche Ausnahmen auch in der EU-Freizügigkeitsrichtlinie angelegt. Es wird aber seit Jahren diskutiert, ob der rigide Ausschluss-Automatismus des deutschen Gesetzes mit EU-Recht vereinbar ist. Insofern ist eine EU-rechtliche Klärung überfällig.

Im Fall Dano kann der EuGH allerdings nur prüfen, ob „wirtschaftlich inaktive“ EU-Bürger in Deutschland von Hartz IV ausgeschlossen werden dürfen. Denn das Leipziger Sozialgericht, das den Fall im letzten Sommer beim EuGH zur Klärung vorlegte, wertete Elisabeta Dano nicht als „arbeitsuchend“. Dano sei zwar als arbeitslos gemeldet, könne aber keine Anstrengungen zur Arbeitsuche nachweisen.

Bundesregierung gegen Einzelfallprüfungen

In der mündlichen Verhandlung plädierte die EU-Kommission für Einzelfallprüfungen. Hartz IV müsse gewährt werden, wenn die Hilfbsbedürftigkeit nur vorübergehend sei und wenn jemand sich im Gastland bereits integriert hat. Danos Anwältin Eva Steffen sah diese Kriterien erfüllt. Dano lebe schon seit Jahren in Deutschland. In Leipzig habe sie Bindungen zu ihrer Schwester, von der sie auch aufgenommen wurde.

Unter den EU-Staaten, die sich am Verfahren beteiligten, unterstützte nur Österreich die Idee von Einzelfallprüfungen. Der Wiener Vertreter kam aber zu dem Schluss, dass im konkreten Fall kein Hartz IV bezahlt werden müsse. Bei Elisabeta Dano spreche die Prognose nicht für einen lediglich vorübergehenden Sozialleistungsbezug.

Die deutsche Bundesregierung lehnte Einzelfallprüfungen generell ab. Diese würden die Hartz-IV-Verwaltung und die Gerichte überfordern. Die deutsche Gesetzeslage sei schon differenziert genug. Immerhin gelte der Hartz-IV-Ausschluss nicht für schlecht verdienende EU-Arbeitnehmer und -Selbstständige, die als Aufstocker durchaus Hartz IV bekommen können. Wenn nun auch noch völlig einkommenslose Personen wie Dano Hartz IV bekommen könnten, wäre das deutsche Sozialsystem „unangemessen belastet“. Das Verfahren sei von „fundamentaler Bedeutung“ für Europa.

Dänemark, Irland und Großbritannien stützten die deutsche Position, teilweise mit drastischen Worten. „Man kann sich kaum einen deutlicheren Fall einer Migrantin vorstellen, die allein zum Sozialhilfetourismus nach Deutschland kam“, sagte der britische Vertreter. „Sie hat in Deutschland nie gearbeitet, sucht auch keine Arbeit, und selbst wenn sie suchen würde, hätte sie keine Chance.“

Belastetes Sozialsystem

Mehrere Richter fragten, warum Dano denn nicht – wie juristisch möglich – nach drei Monaten ausgewiesen wurde und stattdessen eine Freizügigkeitsbescheinigung erhielt. Sie schienen das Verhalten der Behörden widersprüchlich zu finden. Der Schlussantrag des Generalanwalts wird im Mai veröffentlicht, das Urteil Monate später verkündet.

Parallel läuft am EuGH noch ein zweites Verfahren, bei dem eine Schwedin Hartz IV einklagt. Sie hat schon gearbeitet und sucht auch eine Arbeit, steht also für die zweite Fallgruppe. Der Verhandlungstermin ist offen.

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14 Kommentare

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  • Für alle Polen, für alle EU, für alle:

     

    Es ist 2. Juni 2014. Arbeitslosegeld Mein zweiter Antrag wurde heute abgelehnt durch das Jobcenter von Ulm in der Nähe München.

    Ich habe einen Pass der Republik Polen, der Vollmitglied

    Europaen von Union und ohne Arbeitserlaubnis Einschränkungen.

    Die Antwort war: Der Ausländer auf der Suche nach einem Job von der Europäischen Union nicht bekommen kann.

    Ich war seit 14 Jahren in Deutschland leben, und ich arbeitete

    rechtlich und Zahlung von Steuern zwischen 2000 bis 2003.

  • Es ist doch im Prinzip ganz einfach : nach Deutschem Gesetz ( nicht nach Recht ) darf diese Frau kein ALG II bekommen , schwierig wirs erst wenn es nach EU-Recht geht denn dann müsste sie im Sinne der Freizügigkeit doch ALG II Anspruch haben . Dies wiederum würde ein Schlappe für die BRD beeinhalten weil das , bereits vom BGH in 2010 im GG beinhaltete , Mindestteilhabe"paket" zu jedem Zeitpunkt gewährleistet sein muss ! Und wenn dies EU-Bürgern wenn sie sich nicht ernsthaft um Arbeit bemühen zusteht dann darf man auch Deutschen die gegen Auflagen verstossen nichts kürzen > Sanktionspraxis der Jobcenter mit dem "Segen" der Bundesregierung ...

    • @Peter Hohlen:

      ich meinte NICHT BGH sondern Bundesverfassungsgericht BVG

  • Daran ist nichts schlecht, da haben Sie Recht.

  • Hallo Luca,

    ja, genau den Plan habe ich beschrieben. Aber was ist denn daran schlecht ? Ich darf doch wohnen, wo ich will. Und ob ich nun hier Sozialhilfe bekomme oder auf französisch Tahiti, bleibt sich doch gleich.

  • Lieber Luca,

    ich habe keinerlei abfällige Bemerkung gemacht. Ich habe gesagt, daß bestimmte europäische Bürger ihre Rechte hier in der BRD wahrnehmen. Da auch ich ein europäischer Bürger bin, stehen mir -gleiches Recht für Alle- logischerweise dieselben Rechte zu.

    • @Thomas Schöffel :

      Sie haben einen Plan beschrieben, als Deutscher zu Lasten des französischen Sozialstaates auf Tahiti zu leben - um es "den Rumänen" in Deutschland gleich zu tun.

  • Liebe Redaktion, wie soll ich bei diesem Beispiel denn die Nennung von Nationen vermeiden können ? Der Beitrag lebt ja doch gerade davon, daß gleiches Recht für Alle gilt. Und wenn bestimmte Bewohner bestimmter Länder in Europa bestimmte Rechte haben, dann gilt das doch wegen des Geleichheitsgrundsatzes logischerweise für Alle. Für Alle heißt in diesem Fall, daß der von mir gennante Bürger dieselben Rechte hat wie ich. Umgekehrt habe ich logischerweise dieselben Rechte wie er. Was ist daran auszusetzen ? Alles nur Aufzählungen von Selbsverständlichkeiten. Also sollte ich diesem Gedankgen der Gleichberechtigung folgend doch auch meine Rechte - hier in Tahiti- geltendmachen können. Ich möchte Sie also bitten, meinen Beitrag zu veröffentlichen. Man kann nicht über Frankreich und die Franzosen reden ohne Frankreich und die Franzosen zu nennen, oder ?

    • @Thomas Schöffel :

      Es ging um die abfällige Bemerkung in Bezug auf Rumänen.

  • Die Red.: Kommentar entfernt. Bitte vermeiden Sie auf Nationalität bezogene Verallgemeinerungen.
  • Die gute Frau Dano muß nur so tuen, als ob sie Arbeit suche, dann steht ihr auch ALGII zu. Dazu gibt es einen guten Beitrag auf www.NachDenkSeiten.de von Herrn Wolfgang Lenk mit dem sperrigen Titel "Warum ist eigentlich die Zuwanderung direkt in ein soziales Fürsorgesystem in Europa und in Dtl. so unklar und missverständlich geregelt?".

    Da sieht man, die SPD hat es damals vergeigt, die GROKO hat dilettantisch

    nachgebessert, d.h. aber eben auch, der Seehofer weiß das schon lange und"Es fliegt keiner der betrügt" .

  • Die Einzelfallprüfung ist, meiner Meinung nach, praxisuntauglich weil sie die zuständigen Behörden überfordern wird. Überdies halte ich die Vorschläge der EU-Kommission für ungerecht und realitätsfern.Wenn man die Freizügigkeit für Sozialhilfeempfänger möchte, wäre eine einheitliche Sozialhilferegelung in allen EU-Ländern und eine zentrale EU-Sozialkasse Pflicht. Ansonsten suchen sich einwanderende Sozialfälle natürlich das Land mit den höchsten Leistungen aus.

  • In Überschrift und Text scheppert es nur so von "Hartz IV", obwohl es um "Alg II", also "Arbeitslosengeld II" geht, wie es im Untertitel heißt. Aber offensichtlich findet niemand etwas dabei, ein Sozialgesetz alltagssprachlich nach einem verurteilten Straftäter zu benennen, was ich für ziemlich skandalös halte. Mag sein, dass Alg II nicht sonderlich sozial ist, aber Hartz als asozial zu bezeichnen, ist sicher nicht unberechtigt.

  • „Man kann sich kaum einen deutlicheren Fall einer Migrantin vorstellen, die allein zum Sozialhilfetourismus nach Deutschland kam“, sagte der britische Vertreter. „Sie hat in Deutschland nie gearbeitet, sucht auch keine Arbeit, und selbst wenn sie suchen würde, hätte sie keine Chance.“

     

    sehr gut erkannt, diese Einschätzung trifft auch für sehr sehr viele andere Personen zu