Vorratsdatenspeicherung in Europa: Ein gewisser Spielraum

Ende 2012 hatten alle Staaten der Europäischen Union die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung umgesetzt. Außer Deutschland.

Ergebnis nach einem Jahr: 16 Diebstähle, 12 Drogendelikte und 12 Fälle von Stalking – aber keinen einzigen Fall von Terrorismus. Bild: dpa

KARLSRUHE taz | Nirgendwo war die Vorratsdatenspeicherung so umstritten wie in Deutschland. Kritische Diskussionen gab es allerdings auch in anderen EU-Staaten. So führten Österreich, Schweden und Griechenland die anlasslose Massenspeicherung erst ein, nachdem sie von der EU-Kommission wegen Vertragsverletzung verklagt und vom EuGH verurteilt wurden.

In Deutschland dauerte das Vertragsverletzungsverfahren nur deshalb länger, weil es bis 2010 ja ein deutsches Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung gab.

In Rumänien und Tschechien beanstandeten, wie in Deutschland, die jeweiligen Verfassungsgerichte die nationalen Gesetze zur Einführung der Vorratsdatenspeicherung. Anders als in Deutschland wurden in Rumänien und Tschechien aber alsbald neue Gesetze beschlossen, die die jeweiligen Bedenken der Richter berücksichtigten. Ende 2012 war daher Deutschland der einzige von damals noch 27 EU-Staaten, der die EU-Richtlinie nicht umgesetzt hatte.

Die Richtlinie ließ den EU-Staaten einen gewissen Spielraum, wie lange sie die Telefon- und Internetdaten speichern wollen. Sie konnten sich zwischen sechs Monaten und zwei Jahren frei entscheiden. Die meisten Staaten speichern ein Jahr. Nur in Polen werden alle Daten zwei Jahre gespeichert.

Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Andrea Voßhoff, bezweifelt nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Vorratsdatenspeicherung, dass ein nationales Gesetz noch Sinn hat. „Die Richtlinie ist von Beginn an für nichtig erklärt worden“, sagte sie der Berliner Zeitung. „Jetzt muss der europäische Gesetzgeber klären, wie er damit umgehen will – ob es also zu einer neuen Richtlinie kommen soll und wenn ja in welcher Ausgestaltung.“

Sie halte es „für geboten, dass man mit einer nationalen Regelung wenn überhaupt abwartet, bis sich der europäische Gesetzgeber dazu positioniert hat“, fügte Voßhoff hinzu. „Dann wird man feststellen, ob ein Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung überhaupt noch sachgerecht ist.“ Das Urteil sei „eine deutliche Stärkung der Bürgerrechte“, betonte die oberste deutsche Datenschützerin.

Der Chef der Linkspartei, Bernd Riexinger, verlangte von der großen Koalition, komplett auf Vorratsdatenspeicherung zu verzichten. „Der EuGH hat den Regierungen eine Vorfahrtsregel für die Bürgerrechte ins Stammbuch geschrieben“, sagte er der Mitteldeutschen Zeitung. „Die Bundesregierung sollte das Urteil nicht verwässern. Die Vorratsdatenspeicherung muss vollständig kassiert werden.“(dpa)

Irland und Italien schreiben für Telefondaten zwei Jahre vor, für Internetdaten aber nur ein Jahr. In Litauen beträgt die Speicherfrist 18 Monate, in Slowenien 14 Monate. Deutschland hatte ursprünglich sechs Monate vorgesehen. So zurückhaltend waren laut einer Evaluation der EU-Kommission von 2011 sonst nur die Staaten Litauen, Zypern und Luxemburg.

Der Nutzen der Vorratsdatenspeicherung ist nach wie vor sehr umstritten. Im EuGH-Verfahren berichtete die österreichische Regierung, dass die dortige Polizei von April 2012 bis März 2013 nur ganze 326 Mal zwangsgespeicherte Telefon- oder Internetdaten angefordert hat.

Von 139 bereits abgeschlossenen Fällen konnten die Daten in 56 Fällen wesentlich zur Aufklärung beitragen. Dabei ging es unter anderem um 16 Diebstähle, 12 Drogendelikte und 12 Fälle von Stalking – aber keinen einzigen Fall von Terrorismus.

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