Flüchtlinge in Berlin: Die Schule brennt

Erneut kommt es zu Gewalt in der besetzten Kreuzberger Schule. Schnelle Hilfen vom Land oder Bezirk sind nicht in Sicht.

Die Lebensbedingungen in der besetzten Kreuzberger Schule sind schwierig. Bild: dpa

BERLIN taz | In der besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule in Kreuzberg herrschen nach dem Tod eines Marokkaners Angst und Wut. Nur wenige Stunden, nachdem der 29-Jährige nach einem Streit an Messerstichen gestorben war, musste die Polizei in der Nacht auf Samstag erneut ausrücken. Wieder waren zwei Männer in der Schule gewaltsam aneinander geraten, wieder ein Afrikaner und ein Araber. Die Polizei geht von „wechselseitiger gefährlicher Körperverletzung“ aus.

Der tödliche Streit am Freitagmittag hatte sich an der Benutzung einer Dusche entzündet. Gegen den Täter, einen 40-Jährigen aus Gambia, hat die Staatsanwaltschaft nun Haftbefehl wegen Totschlags erlassen. Warum in der seit eineinhalb Jahren besetzten und von etwa 200 Menschen bewohnten Schule nur eine einzige Dusche funktioniert, war am Sonntag nicht zu klären. Bezirksbaustadtrat Hans Panhoff (Grüne), der seit Monaten regelmäßig Gespräche mit den SchulbewohnerInnen führt, befand sich noch im Urlaub.

„Die Duschen sind nicht das Hauptproblem“, sagte Hakan Tas, flüchtlingspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. Gefährlich seien solche Dinge nur, weil sich an ihnen der Druck entlade, der auf den Flüchtlingen laste. „Die Menschen wissen nicht, wie es mit ihnen weitergehen wird.“ Es müssten Perspektiven für sie geschaffen werden, so Tas.

„Diesmal ging es um die Dusche, in einem anderen Fall um eine Zigarette“, sagte auch Canan Bayram, flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen. Hintergrund seien neben der Perspektivlosigkeit auch Traumatisierungen, unter denen die Flüchtlinge litten. Verstärkt werde dies durch Alkohol- und Drogenkonsum: Fast immer passierten Gewaltvorfälle im Umfeld eines der Schule vorgelagerten Pavillons, wo „eine Art Bar betrieben wird“, so Bayram: „Da werden die Reaktionen unberechenbar.“

Ausweichquartiere fehlen

Laut Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) gibt es häufiger Konflikte zwischen Flüchtlingen arabischer und afrikanischer Herkunft. Zur Frage, wie diese entschärft werden könnten, verwies Herrmann auf Panhoff. Ob an den Lebensbedingungen in der Schule etwas geändert wird, wollten die grünen BezirkspolitikerInnen nach der Rückkehr des Stadtrats am Sonntagabend besprechen.

Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) hatte am Freitag – vor der Gewalteskalation in der Schule – eine neue Unterbringung für die Flüchtlinge in Aussicht gestellt. Seine Sprecherin sagte am Sonntag, nur die noch nicht erfolgte Registrierung der BewohnerInnen durch die Senatsverwaltung für Integration verhindere deren Umsiedlung.

Das überrascht sowohl Bayram als auch Herrmann. Bisher war die von der CDU geforderte Räumung der Schule mangels Ausweichquartieren gescheitert. Bayram berichtete von Leuten aus der Schule, „die sich für einen Umzug registrieren lassen wollten, aber weggeschickt wurden, weil es keine Plätze für sie gegeben haben soll“.

Es ist also unklar, ob es eine schnelle Hilfe für die Menschen in der Schule geben wird. Auch, was deren Sicherheit betrifft: Innensenator Frank Henkel (CDU) hatte sich am Freitag zwar „schockiert“ gezeigt. Stärkere Maßnahmen etwa durch Dauerpräsenz vor der Schule will die Polizei aber nicht ergreifen. Die Sicherheit in dem Gebäude sei Sache des Bezirks, so Senatsinnenverwaltung und Polizei auf taz-Anfrage. Die Polizei habe mit HausbewohnerInnen nach dem Tötungsdelikt am Freitag jedoch „Sensibilisierungsgespräche“ geführt, um mögliche Racheakte zu verhindern.

Eine weitere Folge könnte der Tod des Marokkaners haben: Bislang lehnten es viele Flüchtlinge ab, aus der Schule auszuziehen. Die Bereitschaft, „gemeinsam über einen Ausweg nachzudenken“, sei nach Freitag größer geworden, so Herrmann.

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