piwik no script img

Nachruf auf Alfredo Di StéfanoDer blonde Pfeil ist tot

„Lanzenspitze“, „General“, „blonder Pfeil“. Di Stéfano hatte viele Spitznamen. Nun ist einer der erfolgreichsten Fußballer gestorben.

Di Stéfano 2010 in Madrid. Bild: dpa

BERLIN taz | Vielleicht spiegelt sich die Größe eines Fußballers auch in der Zahl seiner Spitznamen. Alfredo Di Stéfano, legendärer Stürmer des Real Madrid in den fünfziger Jahren, hatte beinah Unzählige: „Die Lanzenspitze“ nannte man ihn, den „General“ und „blonden Pfeil“. Er war der Dirigent des sagenumwobenen „Weißen Balletts“. Mit seinem Sturmpartner Ferenc Puskás tanzte sich Di Stéfano im weißen Trikot der Madrilenen durch die Reihen der gegnerischen Abwehr. Und in die Herzen seiner Fans.

Nun ist Alfredo Di Stéfano tot. Der Fußballer erlag am Montag den Folgen eines Herzinfarkts. Bereits Samstag wurde Di Stéfano ins Krankenhaus eingeliefert, konnte dort zwar wiederbelebt, musste dann aber in ein künstliches Koma versetzt werden. Montag Nachmittag hörte das Herz des 88-Jährigen auf zu schlagen.

Di Stéfanos Karriere begann in 1945 in seinem Heimatland Argentinien beim CA River Plate in Buenos Aires, dem damals besten Verein Südamerikas. Nach Stationen in der argentinischen und kolumbianischen Nationalmannschaft kam der Argentinier 1953 nach Europa zu Real Madrid. Hier wurde er zu einem der erfolgreichsten Fußballer aller Zeiten.

Fünfmal in Folge führte er die „Königlichen“ zum Europapokal der Landesmeister, dem Vorläufer der heutigen Uefa Champions League. In acht von elf Jahren wurde der Madrider Verin mit Di Stéfano außerdem spanischer Meister, zweimal kürte der Weltfußballverband Fifa ihn zum europäischen Fußballer des Jahres. Di Stéfano gilt als Begründer des Mythos, der sich bis heute um die Glanzzeit des Real Madrid der fünfziger und sechziger Jahre rankt.

„Wie ein Tag ohne Sonne“

Neben Di Stéfano gehörten dazu Berühmtheiten wie Héctor Rial, Francisco Gento, Raymond Kopa und José Santamaría. Immer ging es dabei nur um eins: Tore, Tore, Tore. In einem seiner letzten großen Interviews in der deutschen Presse sagte Di Stéfano 2008: „Fußball ohne Tore, das ist wie ein Tag ohne Sonne.“ Und Tage ohne Sonne gab es kaum, wenn Di Stéfano spielte – vier Mal in Folge wurde er spanischer Torschützenkönig, 27 mal traf er allein in der spanischen Meisterschaft 1953.

Unvergessen ist auch das große Finale des Europapokals 1960: Sieben Tore erzielten Di Stéfano und Puskás damals in einem grandiosen Zusammenspiel gegen den Gegner Eintracht Frankfurt. Trotz seiner überragenden Erfolge im spanischen und europäischen Fußball war es Di Stéfano nicht vergönnt, einmal an einer Weltmeisterschaft teilzunehmen – weder für sein Geburtsland Argentinien, noch für seine Wahlheimat Spanien. Eine Reihe unglücklicher Verkettungen war daran schuld – 1950 hatte sich Spanien das letzte Mal für die Weltmeisterschaft qualifiziert, Di Stéfano war damals noch in Südamerika.

Erst 1956 erhielt er die spanische Staatsbürgerschaft, zwei Jahre später verpasste Spanien überraschend die WM-Qualifikation. Erst vier Jahre später, 1962 in Chile, sollte Di Stéfano wieder eine Chance bekommen, es in die Copa zu schaffen – doch diesmal zog sich der mittlerweile 36-Jährige eine langwierige Muskelverletzung zu und konnte deshalb nicht antreten. Dass seine Karriere sich vor allem auf nationaler und europäischer Ebene vollzog, hat der Legende, die sich bis heute um Di Stéfano rankt, jedoch keinen Abbruch getan. Im Februar 2008 ernannte ihn die Uefa zum Ehrenpräsident – eine Ehrung, die es weder zuvor noch danach je gegeben hat.

Eine wahre Legende

Und auch jetzt, nach seinem Tod, zollen unzählige Größen des internationalen Fußballs Di Stéfano ihren Respekt. Der viermalige Weltfußballer Lionel Messi äußerte sich bestürzt: „Die Welt hat eine Legende verloren. Einen außergewöhnlichen Mann auf und neben dem Feld.“ Auch Franz Beckenbauer ehrte ihn: „Alfredo Di Stéfano war nicht nur eine wahre Legende für Real Madrid, er war auch einer der größten Fußballer aller Zeiten.“

Brasiliens Fußballlegende Pelé glaubt, dass der spanisch-argentinische Stürmer auch den internationalen Fußball vorangebracht hat: „Als wir noch gespielt haben, waren der FC Santos und Real Madrid viele Jahre lang große Rivalen im Wettstreit um das beste Team der Welt. Heute ist die Öffnung von Spielern aus Lateinamerika für europäische Klubs vor allem der Verdienst von Alfredo Di Stéfano. Er war ein Vorreiter, und vor allem eine Legende des Spiels.“

Mit Ehrerbietung verabschiedete sich auch Cristiano Ronaldo, Star-Stürmer des Real Madrid, von seinem „Maestro“: „Don Alfredo hat uns verlassen, doch die Erinnerung an ihn wird in unseren Herzen fortleben. Legenden sterben nie.“ Dienstag Vormittag wurde der Sarg von Di Stéfano auf der Ehrentribüne des Bernabéu-Stadions, der Heimat Real Madrids, aufgebahrt. Am Tag nach dem Tod des 88-Jährigen sollten sich die Fans von ihrem Idol verabschieden können. „Dieses Stadion war sein heiliger Grund, sein Leben, und es ist der ausdrückliche Wunsch seiner ganzen Familie, ihm diese letzte, verdiente Ehre zu erweisen", sagte Real-Präsident Florentino Pérez.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!