Privatschule für sozial Benachteiligte: Ein zartes Pflänzchen im Wedding

Kommende Woche beginnt an der Quinoa-Schule für 24 Kinder der Unterricht. Sie sollen kontinuierlich auf den Berufseinstieg vorbereitet werden.

Hier wird fürs Leben gelernt. Bild: dpa

Schule im Wedding, das sei nicht immer einfach, räumt Fiona Brunk ein. Zwei Jahre haben sie und ihr Kollege Stefan Döring an einer Weddinger Schule gearbeitet und dort nach eigener Aussage erlebt, wie das staatliche Schulsystem an seine Grenzen stößt. Dabei mangele es zumeist weniger an der Motivation der SchülerInnen, sagt Brunk: „Oft fehlt einfach der Glaube an die Jugendlichen, ihr eigenes Potenzial entfalten zu können.“ Aus diesem Gedanken erwuchs ihr und Döring die Idee, eine Privatschule zu gründen, die auf die Bedürfnisse sozial benachteiligter Jugendlicher zugeschnitten ist. Nach vier Jahren intensiver Arbeit werden am Montag die ersten Siebtklässler die Quinoa-Oberschule in der Osloer Straße besuchen. Später soll sie bis zur zehnten Klasse führen.

Privatschule, das klinge oft nach elitärer Bildungseinrichtung für Kinder der gehobenen Mittelschicht, sagt Stefan Döring und fügt hinzu: „Warum sollten nicht auch Kinder aus schwierigen Verhältnissen von einem alternativen Bildungsangebot profitieren?“ Schwierig sind die Verhältnisse im Wedding oft: Der Stadtteil gilt als sozialer Brennpunkt. Zwei Drittel der Kinder unter 15 Jahren leben in Hartz IV-Haushalten, fast 70 Prozent der SchülerInnen haben einen Migrationshintergrund, jede dritte SchülerIn verlässt die Schule ohne Abschluss – im gesamten Stadtgebiet sind es lediglich 5,5 Prozent.

Diese Weddinger Mischung, wie sie Stefan Döring nennt, wird sich auch in der ersten Klasse der Quinoa-Schule wiederspiegeln. Lediglich sechs der 24 künftigen SchülerInnen sprechen zu Hause Deutsch. Die Jugendlichen sind auf unterschiedlichsten Leistungsniveaus, manche haben von ihrer Grundschule eine Gymnasialempfehlung bekommen, andere leben erst seit kurzer Zeit in Deutschland, ihre Sprachkenntnisse sind gering. Von den 24 Jugendlichen, je zur Hälfte Jungen und Mädchen, erhalten 21 Vollstipendien: Ihre Eltern sind als EmpfängerInnen von Transferleistungen vom Schulgeld befreit. Keine BewerberIn für die Schule musste abgelehnt werden.

Zwar verlangt die Quinoa-Schule, deren Träger die Montessori-Stiftung ist, wie jede Privatschule Schulgeld. Dieses richtet sich jedoch nach der Kita-Beitragstabelle. Die Kosten für den Schulbesuch von Jugendlichen aus Haushalten, die Transferleistungen erhalten, werden von Förderern und Unterstützern der Schule übernommen: Stiftungen, Unternehmen, Privatpersonen, viele davon aus dem Stadtteil.

Auch das Unterrichtskonzept der Quinoa-Schule richtet sich nach den besonderen Anforderungen der Jugendlichen im Wedding. Im Fach Zukunft werden die SchülerInnen bereits von Beginn an kontinuierlich auf den Berufseinstieg vorbereitet: Praktika, Berufsorientierung und Bewerbungstraining stehen auf dem Lehrplan. Der Migrationshintergrund vieler SchülerInnen wird bei Quinoa nicht als Bildungshemmnis, sondern als Chance gesehen: Ihre Muttersprache soll gezielt gefördert werden. Damit soll die eigene Identität gestärkt und die Multikulturalität des Weddings widergespiegelt werden.

„Wichtig sind vor allem verlässliche Strukturen“, erklärt Christian Schwenk, künftiger Leiter der Quinoa-Schule. Der 36-Jährige ließ sich von dem Konzept überzeugen: Nach vier Jahren als Lehrer an einer Weddinger Sekundarschule hat er seinen sicheren Job für das Pilotprojekt aufgegeben. „Ich hoffe, dass von hier ein Impuls für die Schulentwicklung insgesamt ausgeht“, sagt Schwenk.

Die Betreuung der SchülerInnen ist besonders umfassend. In wöchentliche Tutorengespräche entwickeln die zwei festangestellten LehrerInnen eine Bindung zu ihren SchülerInnen, auch über den Schulalltag hinaus, so Döring. Die Schule arbeitet eng mit SozialarbeiterInnen und sozialen Projekten im Wedding zusammen. „Unser Ziel ist es, dass alle SchülerInnen den Mittlere-Reife-Abschluss erreichen“, fasst Schulgründer Döring zusammen. Die AbsolventInnen sollen jedoch auch darüber hinaus betreut werden. Bis zu vier Jahre nach ihrem Abschluss wollen sich sich die Tutoren nach dem weiteren Ausbildungsweg ihrer ehemaligen SchülerInnen erkundigen und beratend zur Seite stehen. FELIKS TODTMANN

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.