Proteste in Hongkong: Regierung sagt Gespräche ab

Die Demokratiebewegung räumte die Straßen in Hongkong auch wegen der Gesprächszusage der Regierung. Diese wurden nun widerrufen.

Die Straßen in Hongkong sind leerer. Die „Regenschirm-Proteste“ gibt es trotzdem noch. Bild: reuters

HONGKONG taz | Große Hoffnung auf eine Lösung hatten sich die Protestanführer bei den für Freitag vorgesehen Gesprächen mit der Hongkonger Regierung zwar ohnehin nicht gemacht. Der Regierungschef der südchinesischen Sonderverwaltungszone machte mehrfach klar, dass sich an dem von der chinesischen Führung in Peking vorgegebenem Verfahren für die Wahl des Regierungschefs der Sonderverwaltungszone ab 2017 nichts ändern ließe. Selbst wenn er wolle. Seinen geforderten Rücktritt lehnte er aber auch ab. Doch nun kommt die Absage von der Regierung.

Die stellvertretende Regierungschefin Carrie Lam hat die geplanten Gespräche mit führenden Mitgliedern der Demokratiebewegung überraschend abgesagt. Als Grund nannte sie „mangelnde Erfolgsaussichten“. Es sei unwahrscheinlich, dass die Gespräche „konstruktiv verlaufen“, sagte sie auf einer spontan einberufenen Pressekonferenz am späten Donnerstagabend. Lam reagierte vor allem auch verärgert über den Aufruf der Studenten, am Freitag wieder zu demonstrieren, um Druck auf die Verhandlungen auszuüben.

Zehntausende Hongkonger Bürger, davon viele Studenten und Oberschüler, hatten bis zum vergangenen Sonntag mehr als eine Woche lang das Hongkonger Regierungs- und Finanzviertel besetzt, sowie zwei weitere sehr belebte Geschäftsviertel in der Innenstadt. Sie fordern eine Rücknahme von Peking beschlossenen Wahlreform. Die kommunistisch regierte Führung hatte den Hongkongern ab 2017 eigentlich zugesagt, ihren Regierungschef direkt zu wählen.

Doch das Versprechen erweist sich als Farce. Wie die chinesische Führung Peking im August präzisierte, will sie eine Vorauswahl treffen und die Zahl der zur Auswahl stehenden Kandidaten auf maximal drei beschränken. Damit ist klar: Kandidaten von Hongkongs Demokratischen Partei und andere pekingkritische Kräfte werden keine Chance haben. Vom amtierenden Regierungschef Leung Chung-Yin forderten sie den Rücktritt.

„Zeit“-Korrespondentin unter Druck gesetzt

Zudem werfen sie ihm vor, dass er den Polizeinsatz des ersten Tags von „Occupy Central“ zu verantworten hat. Die Beamten versuchten bei der Blockade der Innenstadtviertel die Demonstranten mit Pfefferspray, Tränengas und Gummiknüppel zu vertreiben. Der Einsatz mit mehreren Dutzend Verletzten löste sehr viel Kritik in Hongkong aus, der einzigen Stadt auf Boden der Volksrepublik, an dem Meinung- und Versammlungsfreiheit eigentlich geschützt sind. Der überzogene Einsatz führte dazu, dass an den nächsten Tagen noch sehr viel mehr Menschen auf die Straßen gingen.

Die Demokratie-Aktivisten waren sichtlich überrascht über die plötzliche Absage. „Offensichtlich ist die Regierung nur bereit mit uns zu sprechen, wenn Massen auf den Straßen sind“, sagte Alex Chow von der Hongkonger Studentenvereinigung. „Dann tun wir ihr diesen Gefallen.“ Die Protestgruppen riefen zu einer „neuen Welle des zivilen Ungehorsams“ auf. Noch am Abend füllten sich die Straßen und der Platz vor dem Hauptsitz der Hongkonger Regierung wieder mit Demonstranten.

Die anhaltenden Demokratie-Proteste in Hongkong haben auch Auswirkungen in China. Bereits vergangenen Freitag nahmen Polizisten in Peking die chinesische Mitarbeiterin der Korrespondentin von der deutschen Wochenzeitung Die Zeit fest. Sie sei auf dem Weg zu einer Lesung zur Unterstützung der Proteste in Hongkong gewesen. Die Zeit-China-Korrespondentin Angela Köckritz wurde nach eigenen Angaben zweimal von der Polizei verhört. Im Zusammenhang mit ihrer Berichterstattung drohte ein Beamter beim zweiten Verhör mit „negativen Konsequenzen“ und dem Entzug der Akkreditierung. „Es kam verhalten, aber das war ganz klar die Drohung“, sagte Köckritz. Sie forderte die Teilnahme eines Mitarbeiters der Deutschen Botschaft an dem Verhör. Das wurde ihr verweigert.

Unter Leitung von Chinas Premierminister Li Keqiang trifft sich das halbe Kabinett der chinesischen Führung mit der Bundesregierung am Freitag zu den jährlichen Konsultationsgesprächen. Das Treffen könnte unangenehm werden. Amnesty International forderte Kanzlerin Angela Merkel auf, sich für die sofortige Freilassung der Zeit-Mitarbeiterin einzusetzen.

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