Überfall auf Armeebasis in Nigeria: Gutes neues Jahr für Boko Haram

Sechs Wochen vor den Wahlen fällt das Hauptquartier der regionalen Eingreiftruppe im Nordosten des Landes an die Islamisten.

Jeder Erfolg der Dschihadisten schmälert die Chancen Goodluck Jonathans auf eine Wiederwahl als Präsident. Bild: reuters

BERLIN taz | Pünktlich zum Beginn des neuen Jahres ist der islamistischen Rebellenarmee Boko Haram in Nigeria ein spektakulärer Schlag gelungen. Die Untergrundkämpfer eroberten das Hauptquartier einer multinationalen Interventionstruppe im äußersten Nordosten des Landes.

Tausende Bewohner der Stadt Baga am Tschadsee ergriffen panisch die Flucht, viele von ihnen per Boot über den See nach Tschad, andere zu Fuß oder auf Motorrädern in Richtung der 275 Kilometer entfernten Provinzhauptstadt Maiduguri, berichteten am Montag nigerianische Medien. Über dem Sitz der Eingreiftruppe MNJTF (Multinational Joint Task Force) am Nordrand von Baga wehe die schwarze Flagge der Dschihadisten.

„Samstag im Morgengrauen kamen sie zu Hunderten“, zitierte die Zeitung Premium Times einen nach Tschad geflohenen Einwohner von Baga. „Sie fuhren in Hilux-Patrouillenfahrzeugen, Lastwagen und manche auch auf Motorrädern.“ Sie seien mit schultergestützten Granatwerfern und Sturmgewehren ausgerüstet gewesen. „Die Soldaten wurden überwältigt und mussten ihre Stellung verlassen und die Flucht ergreifen.“

Viele Armeeangehörige hätten ihre Uniformen ausgezogen und ihre Waffen weggeworfen, um als Zivilisten zu fliehen. Ein hoher Offizier bestätigte der Zeitung, dass „unsere Truppen stundenlang auszuharren versuchten, aber wegen fehlender Verstärkung wurden sie überwältigt“.

Region komplett unter Kontrolle

Die Zeitung This Day berichtete, die Islamisten hätten auf dem Militärgelände von Baga zahlreiche Zivilisten getötet und auch auf Fliehende geschossen. Eine lokale Bloggerin schreibt, zahlreiche Häuser seien niedergebrannt, auch Regierungsgebäude. Die gesamte Region stehe komplett unter Kontrolle der Rebellen, heißt es in den Berichten.

Baga, ursprünglich ein einfaches Fischerdorf, ist in den vergangenen zwei Jahren schon fünfmal von den Islamisten angegriffen worden, meist mit Dutzenden, einmal sogar 180 Toten. Grund ist, dass Baga der wichtigste Militärstützpunkt der Region ist. Hier waren nigerianische Soldaten gemeinsam mit Truppen aus den Nachbarländern Niger und Tschad stationiert.

Sie bildeten zusammen die Eingreiftruppe MNJTF, die 1998 zum grenzüberschreitenden Kampf gegen Straßenräuber entstanden war, seit 2012 aber auch zur Koordination des militärischen Vorgehens der Armeen der Region gegen Boko Haram dient. In vergangenen Jahren hat Nigerias Militär auf Angriffe Boko Harams in Baga mit brutalen Rachefeldzügen in den Dörfern der Umgebung reagiert. Letztes Jahr sollen die Islamisten in Baga schriftliche Warnungen verteilt haben, auf denen stand, dass die Eingreiftruppe die Zivilbevölkerung nicht schützen werde.

Vorwürfe aus Kamerun

Die Eile, mit der die in Baga stationierten Soldaten die Flucht ergriffen, führt nun in Nigeria zu kritischen Fragen. „Irgendwas stimmt nicht, wenn unsere Soldaten bei jedem Angriff von Boko Haram ihre Posten verlassen“, sagte Senator Maina Lawan.

Der Erfolg Boko Harams in Nigeria folgt auf Rückschläge in Kamerun. Dort setzten die Streitkräfte Ende letzten Jahres erstmals die Luftwaffe ein, um die Islamisten aus ihren Stützpunkten im äußersten Norden zu vertreiben. Kamerun wirft Nigeria vor, seinen eigenen Nordosten praktisch aufgegeben zu haben.

Besonders prekär wird die Lage nun für Nigerias Präsidenten Goodluck Jonathan. Er stellt sich zur Wiederwahl, wenn die 175 Millionen Nigerianer am 14. Februar einen neuen Präsidenten und ein neues Parlament wählen. Mit jeder Niederlage gegen Boko Haram wird der Präsident heftiger dafür kritisiert, dass er das Militär im Stich lasse. „Unsere Helden haben keine Patronen, keine Autos, keine Hubschrauber“, schreibt die Jugendaktivistin Temie Giwa auf Twitter. „Das geht auf Jonathans Konto.“

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