piwik no script img

Sterbehilfe für Straftäter in BelgienDoch Therapie statt Todesspritze

Es ist eine überraschende Wende beinahe in letzter Minute: Ein Mörder und Vergewaltiger in Belgien bekommt nun doch keine Sterbehilfe.

Haftanstalt in Brügge: Der Termin für die Todesspritze ist abgesagt. Bild: dpa

BRÜSSEL dpa | Ein belgischer Sexualstraftäter bekommt jetzt doch keine Sterbehilfe. Wenige Tage vor seinem laut Medien geplanten Tod haben sich die Ärzte von Frank Van Den Bleeken (51) dagegen entschieden. Stattdessen werde der Mörder und Vergewaltiger einen Platz im Justiz-Psychiatriezentrum in Gent bekommen, teilte der belgische Justizminister Koen Geens am Dienstag in Brüssel mit.

Nach einem Bericht der flämischen Tageszeitung De Morgen war die tödliche Injektion eigentlich für kommenden Sonntag im Gefängnis von Brügge geplant. Van Den Bleeken sitzt seit mehr als 30 Jahren in Haft und verlangte den Tod, weil er nicht ausreichend therapiert worden sei.

In Belgien ist aktive Sterbehilfe erlaubt, in Deutschland hingegen strafbar. Van Den Bleeken wäre der erste Häftling in Belgien gewesen, der diese Möglichkeit in Anspruch genommen hätte. Er hatte sich Ende September den eigenen Tod zunächst gerichtlich erstritten.

In der jüngst eröffneten Psychiatrie in Gent sollen nun Behandlungsmöglichkeiten für Van Den Bleeken geprüft werden. Zudem gibt es laut Justizministerium für den Mann die „klare Perspektive“ einer raschen Überstellung in eine Anstalt in den Niederlanden, die für sehr lange Aufenthalte ausgestattet ist.

Van Den Bleeken war als 20-Jähriger wegen Mordes und wegen mehrerer Vergewaltigungen verurteilt worden. Er leidet eigenen Angaben zufolge stark unter sexuellen Wahnvorstellungen.

Justizministerium kündigt Plan an

Justizminister Koen Geens kündigte nun an, binnen sechs Monaten einen Plan zum Umgang mit psychisch gestörten Langzeit-Häftlingen vorzulegen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte Belgien in anderen Fällen bereits verurteilt, weil Plätze zur Unterbringung psychisch kranker Straftäter fehlten.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz reagierte erfreut: „Öffentlicher Druck hat Frank Van Den Bleeken das Leben gerettet. Dieser Fall macht deutlich, dass der Wunsch nach aktiver Sterbehilfe nicht immer ein Akt der Selbstbestimmung ist.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Ich war völlig entsetzt, dass dieses Thema eine so geringe Rolle in der BRD spielte.

     

    Letztendlich war es eine Frage, ob Töten nicht preiswerter ist als zu therapieren. Die belgischen Haftanstalten kennen überhaupt so gut wie nichts an psychotherapeutischer Betreuung. Wenn das in Europa, in der EU, in einem Nachbarstaat von der BRD keinen Aufschrei hervorruft, dann frage ich mich wirklich, wie lange es dauern wird, bis wir die Legalisierung der Sterbehilfe feiern, wenn sich dadurch Kosten einsparen lassen.

    • @Age Krüger:

      Ich fand das auch fast so eine Art Wiedereinführung der Todesstrafe durch die Hintertür.

      Aber vielleicht war doch ein gewisser Aufschrei da, wenn jetzt plötzlich doch eine psychotherapeutische Betreuung möglich ist.