Kommentar Transitlager in Afrika: Die mieseste Art, Geld zu sparen

Innenminister de Maizière will sich rechtsstaatliche Standards für Flüchtlinge nicht mehr leisten. Er schlägt also Transitlager in Afrika vor.

Auch ihnen droht die Abschiebung: Kuscheltiere für Kinder im Erstaufnahmelager in der Bayernkaserne in München. Bild: dpa

Offshore-Finanzplätze sind der feuchte Traum all jener, die demokratische Regeln umgehen wollen, um Geld zu machen: Sonder-Jurisdiktionen, fernab gesellschaftlicher Kontrolle, attraktiv durch ihre Dumping-Konditionen bei Steuern und Sozialstandards.

Und genauso wird der Flüchtlingsschutz aussehen, wenn die EU ihn in Auffanglager in Nordafrika auslagert. Es ist der Traum jener, die Flüchtlingspolitik machen wollen, ohne die lästigen und teuren rechtsstaatliche Regeln einzuhalten. Es entsteht europäischer Flüchtlingsschutz unter Umgehung europäischer Standards.

Seit über einem Jahrzehnt bringen EU-Politiker das Modell immer wieder in die Debatte. Und immer heißt es, so würden die Rechte der Flüchtlinge gewahrt, ohne dass diese hierfür eine mörderische Überfahrt auf sich nehmen müssen.

Was davon zu halten ist, weiß jeder, der sich Asylverfahren in Deutschland mit seinem funktionierenden Rechtssystem aus der Nähe angesehen hat: Es ist oft ein jahrelanger, zäher Kampf: mit dem Asyl-Bundesamt, den Ausländerbehörden, den Verwaltungsgerichten. Ohne die Hilfe von Beratungsstellen, engagierten Anwältinnen, Freunden, kurz: der Zivilgesellschaft, haben Flüchtlinge oft keine Chance.

Für den Staat hingegen liegen die Vorteile von Auffanglagern in den Transitregionen auf der Hand: Die Flüchtlinge müssen nicht nur nicht in Europa versorgt und untergebracht werden und können sich nur schlecht gegen eine Ablehnung wehren. Vor allem müssen sie nicht mehr abgeschoben werden, weil sie über die Transitregionen nicht mehr hinauskommen sollen – wobei höchst zweifelhaft ist, ob sie danach nicht trotzdem versuchen werden nach Europa zu kommen.

Das Problem wird vollständig auf Länder abgewälzt, die jeden Tag beweisen, was sie von Menschen- und Migrantennrechten halten: gar nichts. Schon seit langem hat die EU ihren Grenzschutz teils nach Marokko oder Libyen ausgelagert. Die Flüchtlinge erwartet dort nichts anderes als Willkür und Gewalt.

Nach dem Aufenthalt in den jetzt geplanten europäischen Transitlagern würden sie nahtlos in diesen Zustand zurück entlassen. Die geplanten europäischen Transitlager sind vor allem eins: billig. Deshalb, und nur deshalb, sind sie Brüssel und Berlin so beliebt.

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Seit 2006 bei der taz, zuerst bei der taz Nord in Bremen, seit 2014 im Ressort Reportage und Recherche. Im Ch. Links Verlag erschien von ihm im September 2023 "Endzeit. Die neue Angst vor dem Untergang und der Kampf um unsere Zukunft". 2022 und 2019 gab er den Atlas der Migration der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit heraus. Zuvor schrieb er "Die Bleibenden", eine Geschichte der Flüchtlingsbewegung, "Diktatoren als Türsteher" (mit Simone Schlindwein) und "Angriff auf Europa" (mit M. Gürgen, P. Hecht. S. am Orde und N. Horaczek); alle erschienen im Ch. Links Verlag. Seit 2018 ist er Autor des Atlas der Zivilgesellschaft von Brot für die Welt. 2020/'21 war er als Stipendiat am Max Planck Institut für Völkerrecht in Heidelberg. Auf Bluesky: chrjkb.bsky.social

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