BND-NSA-Skandal: Kanzlerin will als Zeugin aussagen
Merkel steht dem Untersuchungsausschuss zur Verfügung, will die Selektorenliste aber nicht vorlegen. De Mazière äußert sich am Mittwoch – geheim.
BERLIN dpa/rtr/afp | Vor einem Auftritt von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) zur BND-Affäre im Bundestag zweifelt die Opposition am Willen der Regierung zur offenen Aufklärung. De Maizière und Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) wollen sich an diesem Mittwoch vor den Geheimdienstkontrolleuren des Bundestags äußern, dem Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr). Beim Grünen-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss des Parlaments, Konstantin von Notz, stieß dies auf Kritik.
Von Notz sagte der Deutschen Presse-Agentur, der Versuch de Maizières, die Vorwürfe im streng geheimen Kontrollgremium zu klären, sei „untauglich“. Ans Licht sei die Spähaffäre vor allem durch den grundsätzlich der Öffentlichkeit verpflichteten Untersuchungsausschuss gekommen.
De Maizière war von 2005 bis 2009 Chef des Bundeskanzleramts. Das Kanzleramt hat die Aufsicht über den Bundesnachrichtendienst (BND). In dieser Zeit war dem BND bereits aufgefallen, dass er vom US-Geheimdienst NSA Suchkriterien zur Ausspähung von Daten bekommen hatte, die zu europäischen Institutionen führen. Die Zusammenarbeit von BND und NSA bei der Datenausspähung dient eigentlich der Terrorabwehr. Mit der Zeit sortierte der BND immer mehr dieser Selektoren – etwa IP-Adressen oder Mailadressen – aus, die sich gegen europäische Ziele richteten. Heute steht der Vorwurf der Wirtschaftsspionage durch die NSA öffentlich im Raum - und die Frage, ob der BND dabei wissentlich oder unwissend half.
Was wusste de Mazière?
Der Vorsitzende des Kontrollgremiums, André Hahn (Linke), sagte der dpa, er erwarte von de Maizières Aussagen vor dem PKGr Aufklärung und Wahrheit. „Bis jetzt liegt ja vieles im Dunkeln, und das Bundeskanzleramt hat sich widersprechende Erklärungen abgegeben.“ Hahn erläuterte: „Man hat uns anfangs im Glauben gelassen, man hätte erst kürzlich überhaupt erfahren, dass es diese Versuche der Ausspähung auch von europäischen Zielen und Wirtschaftsinstitutionen gegeben hätte.“ Doch erste Informationen habe es spätestens 2008 gegeben.
Nun sei die Frage, „wann Herr de Maizière durch wen informiert worden ist, was er gewusst hat, was er möglicherweise, wenn er es gewusst hat, dagegen unternommen hat, ob er bei den Amerikanern vorstellig geworden ist und versucht hat, es zu unterbinden“.
Hans-Christian Ströbele, Grünen-Mitglied im PKGr, sagte: „Es gibt viele Anhaltspunkte dafür, dass weder vom Bundesnachrichtendienst noch vom Bundeskanzleramt irgendetwas gegenüber der NSA getan worden ist, als diese verbotenen Selektoren aufgefallen sind.“ Zudem setze er Hoffnung auf die ebenfalls angekündigte Aussage von Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) vor dem PKGr. Er solle „endlich“ sagen, wann die Parlamentarier die Listen jener Selektoren bekommen, „die die NSA verbotenerweise in die Dateien des Bundesnachrichtendienstes eingestellt hat“. Der NSA-Untersuchungsausschuss brauche diese Listen für seine Sitzung an diesem Donnerstag, die auch der Aufklärung der Affäre dienen soll.
Herausgabe der Suchbegriffe erst nach Absprache mit den USA
Bundeskanzlerin Angela Merkel kündigte an, sich dem NSA-Untersuchungsausschuss als Zeugin zur Verfügung zu stellen. „Ich werde da aussagen und da Rede und Antwort stehen, wo das geboten ist. Das ist im Untersuchungsausschuss, wenn das gewünscht wird. Da stehe ich gerne zur Verfügung“, sagte Merkel Radio Bremen. Zur Frage der Weitergabe der Suchbegriffe, mit denen der BND für den US-Geheimdienst NSA spioniert haben soll, erklärte Merkel, die Entscheidung darüber könne erst nach einem „Konsultationsverfahren“ mit den USA getroffen werden.
Merkel erinnerte an ihren früheren Ausspruch „Ausspionieren unter Freunden, das geht gar nicht“. „Das scheint ein sehr anspruchsvolles Ziel zu sein, anspruchsvoller als ich mir das dachte, aber darauf muss hingearbeitet werden“, sagte die Regierungschefin. Andererseits sei die internationale Zusammenarbeit von Geheimdiensten notwendig. „Angesichts der Sicherheitslage brauchen wir solche Dienste auch und wir müssen uns auch darum kümmern, dass ihre Arbeitsfähigkeit gesichert ist“, sagte Merkel. Schließlich gehe es darum, „Leib und Leben von 80 Millionen Menschen zu schützen“.
Gabriel fordert Offenlegung der Suchbegriffe
SPD-Chef Sigmar Gabriel besteht darauf, dass die Bundesregierung dem Bundestag Einsicht in die Liste von Suchbegriffen des US-Geheimdienstes NSA gewährt. "Das Parlament muss wissen, ob es bei der Kooperation mit der NSA einen Rechtsverstoß beim BND gegeben hat. Die Öffentlichkeit muss das auch wissen", sagte Gabriel am Dienstagabend im ZDF-"Heute-Journal". Die Opposition wirft dem Bundesnachrichtendienst (BND) vor, der NSA auch unrechtmäßig bei der Ausspähung von Zielen in Europa geholfen zu haben. Er gehe davon aus, dass die Abgeordneten der betreffenden Bundestags-Gremien nach den nötigen Konsultationen mit den USA im Kanzleramt Einsicht in die Listen der Suchbegriffe bekämen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte zuvor gesagt, die Regierung werde eine Entscheidung über die Offenlegung der Selektoren erst nach den Gesprächen mit der US-Regierung treffen.
Zugleich betonte der Wirtschaftsminister, er glaube der Aussage der Kanzlerin, dass es keine weiteren Hinweise auf Wirtschaftsspionage gebe. „Frau Merkel hat mich garantiert nicht angelogen. Das ist ihr Kenntnisstand“, betonte der SPD-Politiker. Man müsse nun alles aufklären und dann bewerten. „Möglicherweise führt das Ganze dazu, dass wir den BND anders und besser ausstatten müssen, damit er nicht dauernd darauf angewiesen ist, beim großen Bruder nachzufragen“, sagte Gabriel.
Zu der Spähaffäre gibt es am Mittwoch außerdem einen Auftritt des Generalbundesanwalts Harald Range vor dem Rechtsausschuss des Bundestags sowie eine Aktuelle Stunde im Plenum des Bundestags.
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