american pie
: Castros Keulenschwinger

Die US-Profiliga ist das Traumziel kubanischer Baseballspieler. Bei den World Classics werden Kubas Beste ausgespäht

Beim größten Baseballevent aller Zeiten, den World Classics, dürfen die Kubaner nicht fehlen. Für die Staatsamateure von der Insel ist das Kräftemessen mit den Profis sportliche Herausforderung und Bewerbung für die US-Major-League zugleich.

Also gibt es für die baseballverrückten Kubaner im Parque Central der kubanischen Hauptstadt derzeit nur ein einziges Thema. Beim ersten internationalen Baseballturnier, an dem nahezu alle namhaften Profis teilnehmen, sind auch die Insulaner mit von der Partie. Beweisen sollen sie, dass sie auf höchstem internationalem Niveau mithalten können. So will es Andrés, einer der Fans vom Parque Central, und so will es auch Landesvater Fidel Castro. Der ist stolz auf seine peloteros und deren eindrucksvolle Medaillenbilanz. 25 WM-Titel und drei Goldmedaillen bei Olympia bürgen dafür. Doch die kubanische Titelsammlung hat einen Schönheitsfleck, denn sie wurde nicht gegen die Besten der Besten im internationalen Profizirkus namens Major League Baseball errungen. Bei den World Classics sind sie nun fast alle zugegen.

Für die Kubaner ist das Turnier die Herausforderung, nach der sie sich seit Jahren sehnen. German Mesa, einst als bester Short Stop der Welt gehandelt, ist neidisch, dass sein Nachfolger Eduardo Paret nun zeigen kann, was er draufhat. Mesa, der seine Karriere 2004 gemeinsam mit Omar Linares und Antonio Pacheco in der japanischen Liga mit einem Rentenvertrag beendete, ist mittlerweile Trainer in Kuba. Für ihn gehören die Kubaner um Michel Enrique und den groß auftrumpfenden 21-jährigen Yulieski Gourriel im Infield zum Favoritenkreis.

Leicht fällt es den Kubanern jedoch nicht, sich gegen die Profis zu behaupten. Nicht konstant genug sind die Leistungen. So folgte dem deutlichen 7:2-Sieg gegen das mit Major-League-Profis gespickte Team aus Venezuela eine 3:7-Pleite gegen die Spieler aus der Dominikanischen Republik. Dabei verletzte sich zu allem Überfluss auch noch der beste Batter der Kubaner, Gourriel. Der hatte mit seinen exzellenten Schlägen bereits in der Vorrunde auf sich aufmerksam gemacht und für so manchen Homerun gesorgt. Gourriel, aber auch der trickreiche Pitcher Yadel Martí stehen auf dem Notizblock vieler US-Manager. Deren Talentscouts umschwirren die kubanische Equipe bei jeder Gelegenheit wie Schmeißfliegen faulendes Fleisch. Einige der besten Spieler der Insel spielen längst in den USA. Maels Rodríguez, ein 25-jähriger Pitcher, von dem Baseball-Connaisseur Fidel Castro einst schwärmte, gehört genauso dazu wie First Baseman Kendry Morales. Der wird in Havanna als bester Baseballspieler Kubas bezeichnet, und die Fans gieren nach Informationen aus den Staaten. Die gelangen nur über BBC oder den US-Propagandasender Radio Martí auf die Insel. Dort wird natürlich über die Leistung der insgesamt rund vierzig Kubaner, darunter viele Exnationalspieler, in der Major League berichtet. Eine gute Hand voll von Ihnen, darunter Pitcherikone José Contreras, sind zu Dollarmillionären geworden. Die exzellenten ökonomischen Aussichten für gut ausgebildete Baseballspieler in den USA und der Willen der kubanischen Cracks, sich mit den Besten der Welt zu messen, sind die ausschlaggebenden Gründe für die Abwanderung. Dieses Risiko schwebt auch über den World Classics. Doch für das offizielle Kuba ist die internationale Bühne, die das Turnier bietet, ungleich wichtiger als das Abwanderungsrisiko und die immer wieder auftauchenden Plakate. Auf denen wird auf die Menschenrechtssituation in Kuba aufmerksam gemacht und gegen Castro polemisiert.

Für die kubanische Delegation war das Grund genug, sich nach der Niederlage gegen die Dominikanische Republik nicht auf der Pressekonferenz sehen zu lassen. Trainer Higinio Vélez gewann so eine zusätzliche Stunde, um an der Aufstellung zu feilen, die Puerto Ricos Superstar Carlos Beltran und seine Mitspieler stoppen soll. Ein Sieg heute Nacht ist für beide Mannschaften Pflicht, um ins Halbfinale zu gelangen. Dort könnten die Kubaner dann, wie von Fidel Castro erhofft, auf die USA zu treffen. Deren Einzug in die Runde der letzten vier ist allerdings nach der Niederlage gegen Korea ebenfalls fraglich, sodass der Clash der Baseballsysteme auch ausbleiben könnte. KNUT HENKEL