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Archiv-Artikel

Wähler fischen im virtuellen Netz

Bei ihren Wahlkampfauftritten im Internet setzen die Parteien mehrheitlich auf Seriosität. Nur die Linkspartei hat jugendkonforme Gimmicks im Angebot. Moderne Kommunikationsformen wie Blogs fehlen fast überall

An jedem zweiten Laternenmast hängen mittlerweile Wahlplakate. Darauf ist aber allenfalls Platz für einen wenig aussagekräftigen Slogan. Zum Glück findet der interessierte Wähler mehr Informationen im Internet.

Dort gibt sich die Linkspartei besonders jung und präsentiert unter bewegt-berlin.de einen Wahlblog. Der gnadenlos geduzte Leser findet hier kultig schlechte Bilder von der Erstpräsentation der Wahlplakate und ironische Kommentare zur Werbung der Konkurrenz. Hitverdächtig dürfte das Angebot sein, kostenlose MMS auf die Handys von Freunden zu schicken. Ein Harald-Wolf-Foto auf dem Display überzeugt jeden Erstwähler.

Weitaus seriöser zeigt sich die SPD unter berlinwahl.spd.de. Wie alle Parteien bietet auch sie ihr Wahlprogramm als PDF-Datei zum Download. Auch ihre Links zu sämtlichen Kandidaten sind Standard. Tiefer gehende Informationen findet man erst unter klaus-wowereit.de. Dort wird der Regierende nicht nur als Politstar, Wowi-Bär und Küchenmeister angepriesen. Die wichtigsten Standpunkte gibt es sogar auf Englisch, und – laut Ankündigung – demnächst auch auf Französisch.

Da ist sein Konkurrent von der CDU einen Schritt weiter. Seinen Lebenslauf findet man unter friedbert-pflueger.de sogar auf Türkisch. Zudem gibt es eine in Teilen großartige Fotosammlung, die beweist, dass Pflüger auch schon mal Prominente getroffen hat. Über die Seite cdu-berlin.de erfahren „Pflüger’s Friends“, wie sie ihrem Kandidaten mit klassischer Kommunikationsguerilla zu mehr Öffentlichkeit verhelfen können: „Schreiben Sie einen Leserbrief!“

Nicht ganz so agitatorisch präsentieren sich die Grünen. Unter gruene-berlin.de findet der Surfer alle notwendigen Informationen, schön übersichtlich aufgelistet. Peinliche Gimmicks sind hier nicht zu finden. Aber auch mit modernen Formen der Internetkommunikation haben es die in die Jahre gekommene Alternativen nicht so. Blogs findet man etwa nur über die Links zur Bundespartei und den zeitgleich wahlkämpfenden Kollegen in Mecklenburg-Vorpommern. Bei diesem fehlt allerdings bisher jeglicher Eintrag, und die Bundesgrünen haben zuletzt zum Ende der Fußball-WM einen Kommentar ins Netz gestellt – vor über drei Wochen.

Das Überraschendste am Internetauftritt der FDP ist noch die Webadresse: ausliebezurstadt.de. Ansonsten erkennt man auf den grafisch recht hübschen Seiten immerhin, dass unter den 24 abgebildeten FDP-Kandidaten fürs Abgeordnetenhaus immerhin drei Frauen sind. Und ein Foto von Spitzenkandidat Martin Linder beweist, dass der passionierte Krawattenträger auch mal ganz leger in Jeans vor einen Ball treten kann.

Alle Parteien werben im Internet nicht nur um die Stimmen der Wähler, sondern auch um Spenden. Allerdings nirgendwo so direkt wie beim klammen Landesverband der WASG. Unter waehlt-wasg.de springt als erstes der aktuelle Spendenstand ins Auge. Der eigenständige Auftritt der Spitzenkandidatin lucy-redler.de muss derweil noch warten. Er startet erst am 7. August.

Gereon Asmuth