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Archiv-Artikel

„Ich mag den Standort der AGB sehr“

ZLB Seit dem Aus für den Neubau der Zentral- und Landesbibliothek auf dem Tempelhofer Feld plagen ZLB-Chef Volker Heller Phantomschmerzen. Als Gegenmittel nimmt er andere Standorte für die Großbibliothek ins Visier: etwa am Blücherplatz, nicht im ICC

Volker Heller

■ 55, studierte Musik, Politologie und Kulturmanagement. Seit Juli 2012 ist er Vorstand und Managementdirektor der Stiftung Zentral- und Landesbibliothek (ZLB). Zuvor leitete er die Kulturabteilung beim Berliner Senat.

INTERVIEW ROLF LAUTENSCHLÄGER

taz: Herr Heller, wie stark sind die Phantomschmerzen nach dem Aus für einen ZLB-Neubau auf dem Tempelhofer Feld?

Volker Heller: Die Schmerzen sind natürlich stark, weil die Planungen auf dem Tempelhofer Feld für eine neue Zentral- und Landesbibliothek eine Perspektive eröffneten, um ein großes Problem im Bibliothekswesen dieser Stadt zu lösen. Die Zusammenführung mehrerer Standorte und die Neuausrichtung der Institution war in Sichtweite. Mit dem Ergebnis des Volksentscheids ist ja keines dieser Probleme vom Tisch.

War es nicht blauäugig, den Fokus für einen neuen Standort nur auf Tempelhof zu richten?

In unseren Analysen war der Neubaustandort auf dem Tempelhofer Feld der beste.

Manche in der Berliner CDU und Teile der Stadtentwicklungsbehörde halten das leerstehende ICC für eine Option.

Ich halte das ICC als Standort für ungeeignet. Dieses Gebäude ist für einen völlig anderen Zweck gebaut worden. Merkwürdigerweise glauben alle, man könnte an dieser Stelle quasi aus einer Trompete eine Geige machen. Aber das funktioniert nicht. Die ZLB kann man nicht einfach da- oder dorthin verschieben, schon gar nicht ins ICC. Ich glaube nicht, dass das ICC geeignet ist, die Besucher anzulocken.

Ein Gutachten hält das ICC für „grundsätzlich geeignet“.

Das Gutachten sagt zwar, dass die ZLB dort „grundsätzlich“ möglich wäre. Aber es sagt auch, dass dies zugleich die unwirtschaftlichste Lösung für Berlin ist. Aber der Betrieb einer Bibliothek muss wirtschaftlich sein. Und eine Bibliothek muss für die Besucher in einem guten städtischen Umfeld liegen, das nutzerfreundlich ist. Das Umfeld des ICC ist aber schlecht, es ist eine Verkehrsinsel in all ihren Ausprägungen.

Sie haben in der Nutzwertanalyse fünf Standorte untersucht. Darin steht, dass im Ranking nach Tempelhof der Ausbau der AGB die zweite Option wäre. Was müsste dort zusätzlich gebaut werden?

Es müsste eine deutliche räumliche Erweiterung geben. Alle Fachgebiete müssen an einem Ort zusammengefasst sein durch einen Anbau in erheblicher Dimension. Die Flächen für Publikum und all unsere Medien müssten ausgebaut werden.

Könnte die AGB weiter benutzt werden bei einem Ausbau?

Der Betrieb wäre während der Bauphase erheblich eingeschränkt. Und man müsste sich wahrscheinlich von dem kleinen Park verabschieden, das ist aber eine politische Frage, die das Land Berlin und der Bezirk entscheiden müssten.

Plädieren Sie für eine ZLB am Blücherplatz?

Ich mag den Standort der AGB sehr, er ist sehr gut angebunden, vom Umfeld her gut und er hat den historischen Bezug. Und was noch dazukommt: Die Berliner und die Nutzer lieben ihn. Man hätte eine wunderbare Zentralbibliothek, die die Stadt dort auch verdient hat.

Sind die Standorte Breite Straße und das Tempelhofer Terminalgebäude aus dem Rennen?

Sowohl der Standort hier in der Breite Straße als auch das Flughafengebäude sind nicht optimal. Unser Ziel ist ja, alles unter ein Dach zu ziehen. In der Berliner Stadtbibliothek können wir uns schwerlich ausweiten, im Terminalgebäude ist die Raumstruktur problematisch – die Wege sind weit, man benötigt viel Personal, die Funktionalität ist schwierig und auch die Anbindung ist nicht optimal.

Bleibt es denn bei den in Tempelhof anvisierten finanziellen und räumlichen Größenordnungen von 270 Millionen Euro und 51.000 Quadratmetern?

Es wird sicher nicht billiger, wenn man über Bestandsgebäude wie den Flughafen redet. Die Flächenprogramme werden wir kritisch überprüfen. Gleichzeitig müssen wir uns fragen: Kann das den Nutzerbedarf in der Zukunft auch noch abdecken?

Wann rechnen Sie mit einer neuerlichen Entscheidung?

Ich gehe davon aus, dass die Planungen und Prüfungen bis zum Ende der Legislaturperiode auf einer entscheidungsfähigen Grundlage stehen und eine neue Regierung damit arbeiten könnte.

Die neue ZLB soll eine Bibliothek der Zukunft sein. Was findet, sagen wir mal 2030, ein junger Berliner „geil“ an einer ZLB?

Die Bibliothek ist der demokratische Garant für die Zugänglichkeit und Information zu den Medien für alle Nutzer, besonders für jene, die sich das sonst nicht leisten können. In Zukunft wird man hier einen öffentlichen Ort haben für alle denkbaren Medienarbeitsplätze sowie als Mega-Space und schließlich als Raum für die Stadtgesellschaft, wo man hingehen kann, um sich thematisch auszutauschen und zu organisieren.