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■ Von Sparmaßnahmen bedroht: Das jüngste der Berliner Literaturhäuser, die Literaturwerkstatt, wird heute 5 Jahre alt

„Wir denken jetzt gar nicht daran, den Kopf hängenzulassen“, sagt Margrit Manz mit Nachdruck. Die stellvertretende Programmleiterin der Literaturwerkstatt Berlin sieht zwar Grund genug zum Klagen. „Aber so kann man nicht arbeiten, nicht weiterdenken. Und es muß weitergehen!“

70.000 Mark fehlen dem Haus am Pankower Majakowskiring – eine Summe, die zur Angleichung der Gehälter an die Westtarife vorgesehen war. Versprach Kultursenator Radunski noch im April, für die Mehrkosten aufzukommen, sind es jetzt zunächst die großen Kultureinrichtungen in Berlins Osten, die mit Zuwendungen zur Tarifangleichung rechnen können. Ob für die Literaturwerkstatt etwas übrigbleibt, ist mehr als ungewiß, und da die höheren Gehälter gemäß den Tarifvereinbarungen gezahlt werden müssen, bleibt dem Pankower Haus keine andere Wahl, als im Programmetat zu kürzen. Eine für Dezember geplante Veranstaltung zu deutschsprachigen Neuerscheinungen muß vermutlich ausfallen, und auch andere Projekte sind bedroht, nicht zuletzt, weil die unklare finanzielle Lage die oft langfristigen Vorbereitungen zu den Lesungen beeinträchtigt.

Dabei zeichnet sich gerade die Literaturwerkstatt durch ein Programm aus, das stark auf gegenwärtige Entwicklungen eingeht, Unbekanntes entdecken will und nicht davor zurückscheut, den angestammten Kanon zu verlassen. Was andere für abwegig halten mögen, wird in Pankow versucht: etwa Lesereihen mit schwulen und lesbischen AutorInnen, zu junger urbaner Lyrik oder zu außereuropäischen Literaturen.

Trotz der programmatischen Vielfalt stellt sich keine Beliebigkeit ein. Denn durch eine sorgfältige Konzeption, die Einzellesungen zur Ausnahme werden läßt, strebt man inhaltliche Zusammenhänge, Ergänzungen und auch Konfrontationen an. Thematische Reihen, die über längere Zeit hinweg ein bestimmtes Sujet verfolgen, bilden einen Schwerpunkt. Auch hier zieht man sich nicht in den Elfenbeinturm zurück, sondern sucht nach Antworten auf aktuelle Frage. Gleich nach der Gründung 1991 etwa ging es mit „Berlins Zukünfte – Berlin Future“ um literarische Visionen der Metropole, und zwei Jahre später zeigte die Reihe „Sprache unter einer Diktatur und Sprache, eine Diktatur zu beschreiben“, wie Sprache ein Medium der Macht und zugleich der Subversion sein kann.

Neben diesen thematischen Reihen stehen die Festivals. Mal themenbezogen wie die Veranstaltung über weibliches Schreiben im letzten Februar, mal zur Vorstellung hierzulande kaum bekannter kultureller Kontexte gedacht, lesen verschiedene Autoren an mehreren aufeinanderfolgenden Abenden. Dabei spielt der Ost- West-Dialog, im kleinen Rahmen auch unter der Belegschaft der Literaturwerkstatt praktiziert, eine große Rolle. Manz berichtet, daß die „Literaturen der neuen Nachbarn“ – etwa bei drei Festivals mit Autoren aus Georgien, Armenien und Aserbaidschan vor gut anderthalb Jahren – auf großes Interesse beim Publikum stoßen, nicht zuletzt, weil solche Veranstaltungen, so Manz, es möglich machen, „hinter die Informationen zu schauen, die die Medien liefern“.

Darüber hinaus versteht sich die Lteraturwerkstatt auch als Anlaufstelle für junge Autoren. Mit dem in diesem Jahr zum vierten Mal stattfindenden Open-Mike-Wettbewerb versucht man, unbekannte Gesichter mit Lektoren und Redakteuren in Kontakt zu bringen. Zugleich gibt man in Zusammenarbeit mit Verlagen wie Edition Dia oder Galrev die eine oder andere Anthologie heraus, versucht in Samstagskolloquien Wissenschaft, Politik und Literatur zusammenzubringen, und schließlich gibt es ein öffentlich zugängliches Archiv, das Tonbandaufzeichnungen fast aller Veranstaltungen versammelt.

Öffentlichkeit ist für Manz ein wichtiges Stichwort: „Alles, was hier passiert, soll öffentlich sein. Deswegen haben wir – im Gegensatz zu anderen Häusern – kaum geschlossene Veranstaltungen.“ Diese programmatische Erklärung ist nicht zuletzt den dunklen Flekken in der Geschichte des Hauses geschuldet. 1980 wurde es – gewissermaßen als Dankeschön – an die Berliner Sektion des DDR-Schriftstellerverbandes übertragen, nachdem dieser neun Autoren, die seinerzeit gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns protestierten, aus den eigenen Reihen ausgeschlossen hatte.

Daß die Literaturwerkstatt das Haus am Majakowskiring rehabilitiert hat, ist nur eines ihrer zahlreichen Verdienste. Es wäre ein Verlust für die kulturelle Landschaft Berlins, sollten die Sparmaßnahmen des Senats auf die Arbeit der Pankower Einrichtung gefährden. Cristina Nord

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