piwik no script img

Polizistinnen scheuen Anzeige

■ Tabuthema sexuelle Belästigung bei der Polizei. In sechs Monaten wurden 13 Fälle bekannt. Polizeiliche Frauenbeauftragte geht von hoher Dunkelziffer aus

Im ersten Halbjahr sind bei der Polizei 13 Fälle sexueller Belästigung von Mitarbeiterinnen bekanntgeworden. Das geht aus einer Antwort der Senatsinnenverwaltung auf eine Anfrage der PDS- Fraktion hervor. Die Frauenbeauftragten bei den 13 Polizeidienststellen sind sich jedoch darüber einig, daß die Dunkelziffer weit höher liegt.

Von 26.800 Beamten und Angestellten sind 5.563 Frauen. „Mobbing und sexuelle Belästigung sind in der Behörde nach wie vor ein Tabuthema“, erklärte eine Beamtin, die ihren Namen nicht nennen wollte. Die Belästigungen reichten von verbaler Anmache über Angrapschen bis zum Bluseaufreißen und mehr. Aber nur ein ganz geringer Teil der Frauen wage es, solche Vorkommnisse beim Dienstvorgesetzten anzuzeigen. Die Frauenbeauftragten würden von wesentlich mehr Vorfällen als die Vorgesetzten informiert, dies geschehe in der Regel aber nur unter dem strikten Siegel der Verschwiegenheit. „Besonders Polizistinnen der unteren Besoldungsgruppe haben große Probleme, sich zu offenbaren, weil sie Nachteile für ihre weitere Laufbahn befürchten“, weiß die Beamtin.

Von solchen Problemen findet sich in der Antwort von Innenstaatssekretär Kuno Böse auf die PDS-Anfrage kein Wort. In einer Tabelle sind die einzelnen Dienststellen aufgelistet, in denen sich die 13 „bekanntgewordenen“ sexuellen Belästigungen ereigneten. Mit jeweils drei Fällen liegen die Direktion 1 (Pankow, Wedding, Reinickendorf) und die Direktion 2 (Charlottenburg, Spandau, Wilmersdorf) an der Spitze. Eine Aufschlüsselung nach Schweregrad erfolgt nicht. Die Frage nach den Folgen für die Täter beantwortete die Polizeipressestelle damit, daß in sechs Fällen disziplinarische Vorermittlungen gegen die beschuldigten Beamten eingeleitet worden seien. Strafrechtliche Ermittlungen seien in keinem der Fälle bekannt.

Nach Angaben der Beamtin wird nach einer „leichten“ sexuellen Belästigung in der Regel zunächst versucht, das Problem intern durch Gespräche zu lösen. Hat dies keinen Erfolg, würden personelle Konsequenzen bis hin zu einer Versetzung in andere Dienststellen erfolgen. „Meistens werden die betroffenen Frauen umgesetzt, das kann es doch nicht sein!“ berichtete eine andere Beamtin der taz.

In der kleinen Anfrage erkundigt sich die PDS bei der Innenverwaltung auch nach den Ansprechpartnerinnen für die Opfer sexueller Belästigung. Als Antwort verweist Staatssekretär Böse auf die Frauenbeauftragten. „Unter Berücksichtigung der Anzahl der bisher bekanntgewordenen Fälle scheint das Angebot der Ansprechpartner/-partnerinnen innerhalb der Polizeibehörde auch als ausreichend“, meint der Innensekretär. Nach Angaben der Beamtin haben die Frauenbeauftragten allerdings keinen leichten Stand in der Behörde. Trotz steigender Frauenzahlen sei das Klima in der Polizei immer noch von typisch männlichen Umgangsformen bestimmt. Besonders die älteren Männern in den oberen Besoldungsgruppen hätten oftmals ein sehr negatives Frauenbild. Auf das Problem sexuelle Belästigung reagiere die Polizeiführung nur „zwangsweise“, wenn dies von den Frauenbeauftragten thematisiert werde. Plutonia Plarre

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen