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Deutsche Wasserpolitik erneut verurteilt

■ Europäischer Gerichtshof rüffelt die Bundesrepublik wegen formaler Verstöße gegen EU-Gewässerschutz. Doch Deutschland ist oft strenger als die Nachbarländer

Freiburg (taz) – Deutschlands Gewässerpolitik ist mangelhaft. Dies mußte sich die Bundesregierung gestern erneut vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg bescheinigen lassen. Zwei EU-Richtlinien sind, so der EuGH, in Deutschland nicht richtig angewandt worden. Gestern ging es um die Behandlung kommunaler Abwässer und den Schutz von Fischgewässern. Vor einigen Wochen war Deutschland bereits verurteilt worden, weil es EU- Wassergrenzwerte für Quecksilber und Cadmium nicht richtig umgesetzt hatte.

Einerseits stellt sich die Bundesrepublik gerne als Vorreiter des Gewässerschutzes dar, andererseits scheint sie ständig unter der EU-Meßlatte zu bleiben. Eine Analyse der Urteile zeigt, daß dies kein Widerspruch ist.

Die EU-Richtlinie zur Behandlung von Kommunalabwässern ist ein gutes Beispiel. Sie schreibt den EU-Mitgliedstaaten vor, „empfindliche Gebiete“ auszuweisen, in denen die Kläranlagen von Städten und Gemeinden besonders wirksam sein müssen. Um Phosphat zu fällen und Stickstoff zu eliminieren, benötigen Kläranlagen in diesen Gebieten bis 1998 eine dritte Reinigungsstufe. Welche Gebiete als „empfindlich“ eingestuft werden, ist weitgehend den Mitgliedstaaten überlassen.

In Deutschland ist der Schutz von Nord- und Ostsee vor Nährstoffeintrag das bestimmende Ziel der Wasserpolitik. Da viele Gewässer in die beiden Meere münden, sollen möglichst weitgehende Flächen als „empfindlich“ eingestuft werden. Hessen etwa hat das gesamte Landesgebiet zur Aufrüstung der Kläranlagen verpflichtet. In Großbritannien dagegen hat man Küstenstädte, die ihre Abwässer direkt in die Nordsee einleiten, nicht als „empfindlich“ eingestuft. Das Argument der Briten: In der Nordsee werde das Abwasser ja eh verdünnt.

Großbritannien aber wird von der Kommission nicht verklagt, da die Briten rechtzeitig ihre Gebiete ausgezählt haben. In Deutschland jedoch haben erst 5 von 16 Bundesländern die Auswahl abgeschlossen. Formal hat Deutschland damit trotz seiner ehrgeizigeren Ziele EU-Recht verletzt.

Ein anderes Problem lag dem EuGH-Urteil gegen Deutschland vor einigen Wochen zugrunde. Die von der EU festgesetzten Immissionsgrenzwerte für Quecksilber und Cadmium waren in Deutschland nicht per Gesetz, sondern nur per Verwaltungsvorschrift umgesetzt worden. Auch hier nur ein formaler Verstoß. Denn: „Verwaltungsvorschriften werden in Deutschland meist strenger beachtet als Gesetze in anderen EU- Staaten“, sagt Ulrich Oehmichen vom Bundesverband der Gas- und Wasserwirtschaft (BGW). (Rechtssachen C-297/95 und C-298/95)

Christian Rath

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