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Rekordbilanz mit der Viertagewoche

Die Bilanz von Volkswagen straft die Arbeitgeberpolemik gegen Arbeitszeitverkürzung Lügen  ■ Von Jürgen Voges

Hannover (taz) – „Arbeitszeitverkürzung lohnt sich für die Arbeitnehmer und das Unternehmen“ – mit diesen Worten hat der hannoversche IG-Metall-Bezirksleiter Jürgen Peters die Rekordbilanz von Volkswagen kommentiert, die der Autokonzern gestern in Wolfsburg vorlegte. Für den IG- Metaller Peters „zeigt das Beispiel VW, daß die jüngste Polemik der Arbeitgeberverbände gegen weitere Arbeitszeitverkürzung überflüssig ist und jeder sachlichen Grundlage entbehrt“.

In der Tat konnte der einzige bundesdeutsche Autohersteller, bei dem die Viertagewoche und eine Regelarbeitszeit von 28,8 Wochenstunden gilt, auf der Bilanzpressekonferenz von VW-Chef Ferdinand Piäch gestern mit Rekordzahlen glänzen: Beinahe vier Millionen Fahrzeuge hat der weltweit viertgrößte Autohersteller im vergangenen Jahr verkauft, 10,7 Prozent mehr als 1995. Nicht nur den Umsatz hat VW 1996 um 13,6 Prozent auf gut 100 Milliarden DM gesteigert, auch den Reingewinn konnte der Volkswagen-Konzern mit 678 Millionen Mark gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppeln.

Für das erste Quartal 1997 konnte VW-Chef Piäch gestern Verkaufszahlen vorlegen, die die Aktionäre ebenfalls freuen dürften: Die Autoverkäufe von VW sind von Januar bis März 1997 noch einmal um 9,5 Prozent gestiegen. Der VW-Chef kündigte in einem Aktionärsbrief weitere Kostensenkungen und Effizienzsteigerungen an. In den nächsten fünf Jahren will Piäch die Umsatzrendite, die bei VW bei knapp zwei Prozent lag, „auf mindestens acht Prozent steigern“. Die Börse hatte diese Absichten schon vorab honoriert: Seit dem Einbruch im vergangenen Herbst hat sich der Kurs der VW-Stammaktie auf über 900 Mark mehr als verdoppelt.

IG-Metall-Bezirksleiter Peters erinnert gestern in Hannover daran, „daß VW mit der Einführung der Viertagewoche im Januar 1994 erstmals wieder schwarze Zahlen geschrieben und seither seinen Gewinn Jahr für Jahr verdoppelt hat“. Im Jahr 1993, als Ferdinand Piäch den Vorstandsvorsitz bei VW übernahm, hat der Wolfsburger Autokonzern noch einen Verlust von 1,9 Milliarden DM eingefahren. Piäch drohte damals zunächst Massenentlassungen von 20.000 bis 30.000 der damals noch 105.000 Beschäftigten der sechs westdeutschen VW-Werke an. „Durch die Einführung der Viertagewoche hat das Unternehmen dann Sozialplankosten in Milliardenhöhe gespart und schon 1994 wieder Gewinne erzielen können“, sagte Jürgen Peters gestern.

Die Kosten der radikalen Arbeitszeitverkürzung um 20 Prozent von 35 auf 28,8 Stunden hatten bei VW in erster Linie die Beschäftigten zu tragen, die auf rund 18 Prozent ihrer bisherigen Einkünfte verzichteten. Peters wies gestern darauf hin, daß Volkswagen die Viertagewoche seither zu einem sehr flexiblen Einsatz der Beschäftigten nutzen kann. In den VW-Werken kann je nach Jahreszeit und Autonachfrage weitaus mehr oder weniger als die Regelarbeitszeit von 28,8 Wochenstunden gearbeitet werden. 1996 hat der Autokonzern die Flexibiltät allerdings fast nur nach oben genutzt. Im Schnitt lag die Wochenarbeitszeit in allen westdeutschen VW-Werken im Jahr 1996 bei etwa 32, in einzelnen Werken sogar bei 35 Stunden.

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