: Verantwortungslose Bosnienpolitik
■ Innensenator und Bündnisgrüne werfen sich gegenseitig Verantwortungslosigkeit vor. Anfrage zur Abschiebepraxis im Abgeordnetenhaus
Die Abschiebung bosnischer Bürgerkriegsflüchtlinge beschäftigte gestern die Abgeordneten im Preußischen Landtag. In einer Großen Anfrage verlangten die Bündnisgrünen eine Stellungnahme des zuständigen Innensenators zur Kritik von Bundespolitikern an seiner Abschiebepraxis.
„Die Diktion läßt unschwer erkennen, daß die Fragesteller den Versuch unternehmen, die im März eingeleitete Rückführungspolitik des Senats als inhuman und verantwortungslos zu diffamieren“, hieß es im Redemanuskript Jörg Schönbohms (CDU). Vor Redaktionsschluß hatte er noch nicht im Abgeordnetenhaus gesprochen. Die Vorwürfe seien absurd und haltlos, sagte Schönbohm ausweislich seines Manuskripts. Er betonte, daß sich Berlin auf Beschlüsse der Innenministerkonferenz stütze. Außerdem hegten „viele auch die Hoffnung, möglicherweise ganz in Deutschland bleiben zu können“. Das sei „falsch und unrealistisch“. In diesem Zusammenhang formulierte Schönbohm die Frage ob die Anwürfe „inhaltsleeres Feldgeschrei konzeptionsloser Politstrategen“ sei.
Im Anfragetext der Grünen hatte es geheißen: „Wie bewertet der Senat die übereinstimmende Einschätzung prominenter Politiker wie Heiner Geißler (CDU), Hans-Dietrich Genscher (FDP), Hans Koschnik (SPD), Ignatz Bubis (FDP) und Christian Schwarz- Schilling (CDU), daß mit der Abschiebepraxis der Bundesländer Bayern und Berlin ,eine Grenze (der Humanität) überschritten ist, die sich das den Menschenrechten verpflichtete Nachkriegsdeutschland zu Recht gesetzt hat‘?“ Zur Kritik des UNO-Flüchtlingskommissars, der die zwangsweise Rückkehr nach Bosnien für nicht vertretbar hielte, fragten die Bündnisgrünen, ob der Senat dessen Einschätzung teile. Sie nannten die Abschiebepolitik inhuman und verantwortungslos.
Nach diesem Vorwurf wollte der Innensenator aufs Ganze gehen. In seinem Manuskript heißt es: „Die anklingende Parallele zu Deportationen des Dritten Reiches ist eine Ungeheuerlichkeit und offenbart zumindest Unkenntnis rechtsstaatlichen Verwaltungshandelns.“ Schönbohm warf den Bündnisgrünen seinerseits verantwortungslose Politik vor.
Zur Bosnienpolitik stand gestern auch der Dringlichkeitsantrag der Bündnisgrünen auf der Tagesordnung. Die Forderung: Erlaß eines Abschiebestopps. Zu Redaktionsschluß war der Antrag noch nicht abgelehnt. Barbara Junge
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