: Gegen „Kranzabwurfstellen“
■ SchülerInnen eines katholischen Gymnasiums erarbeiteten eigene Entwürfe für ein Holocaust-Mahnmal
Es kommt selten vor, daß Schüler öffentlich ihre Lehrer loben und sagen, sie hätten was fürs Leben gelernt. 24 AbiturientInnen des Katholischen Gymnasiums Theresienschule in Weißensee sind so mutig. In einem Unterrichtsprojekt unter der Leitung ihrer Kunstlehrerin Mechthild Zech und ihres Politiklehrers Andreas Kühler entwickelten sie eigene Entwürfe zu einem Mahnmal für die ermordeten Juden Europas. Acht Gruppenentwürfe sind nach zwei Jahren intensivster Beschäftigung mit der Zeit des Nationalsozialismus und mit der Geschichte der Juden entstanden.
Vorgestern abend präsentierten die Schüler ihre Modelle im Rahmen einer Veranstaltung: „Wie sich junge Menschen den Umgang mit dem Nationalsozialismus vorstellen“. Etwa zweihundert Menschen aus drei Generationen waren in die Katholische Akademie gekommen. Das spannendste Ergebnis war: Alle SchülerInnen redeten gegen zentrale „Kranzabwurfstellen“, aber fast alle glauben, daß Denkmale notwendig sind, um Anstöße für eine individuelle Auseinandersetzung mit dem Holocaust zu geben (ausführlich dazu: in der Jugendtaz zum 17. April).
Von mindestens einem dieser Schülerentwürfe könnten die Auslober des Wettbewerbs für ein „Zentrales Denkmal“ noch was lernen. Fredericke Greulich und Miriam Kühn, beide 18 Jahre alt, entwickelten ein Mahnmal, das sich jeder Anbiederung an die Opfer – zum Beispiel durch die Verwendung von jüdischen Symbolen – entzieht.
Ein Mahnmal, das auf „Mitleid“ setzt und dadurch dem Betrachter eine „Katharsis“ (Reinigung durch erzeugte Emotionen) verspreche, fördere nur die öffentliche Gedankenlosigkeit, glauben sie. Sie wollen das Gegenteil erreichen; die persönliche Herausforderung.
Ihr Entwurf besteht aus einer eiserne Rotunde, Durchmesser 20 Meter, die fünf zum Himmel offene Räume umfaßt. Sie sind nicht zu betreten, sondern nur von außen, durch in die Rotunde eingelassene Fenster, zu betrachten. In den Räumen symbolisieren angedeutete Figuren das Schicksal der Juden: Leben, seelischer Tod, physischer Tod, Einsamkeit, Leben durch Erinnerung. Irgendwann wird die Rotunde rosten und zerfallen, erst dann betretbar sein.
Erst dann, in fünfzig oder hundert Jahren, sagen sie, ist die Zeit reif für ein öffentliches Gedenken, in dem nicht versucht wird, sich selbst zu vergeben, indem man die Opfer umarmt. Anita Kugler
Die Entwürfe sind noch bis zum 18. April in der Katholischen Akademie, Hannoverische Str. 5, Bezirk Mitte zu sehen. Montags bis freitags von 8 bis 18 Uhr.
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