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Keine Staatsbesucher ins Palais

■ Bundesregierung beerdigt stillschweigend Ausbaupläne für Kronprinzenpalais. Nun zieht erstmal Stölzls Historisches Museum ein

Das Kronprinzenpalais, ein direkt Unter den Linden gelegener preußischer Repräsentativbau, wird von der Bundesregierung nicht zu einer Nobelabsteige für Staatsbesuche ausgebaut. Wie die taz aus dem Bundesbauministerium erfuhr, „ist nicht mehr beabsichtigt, ein Gästehaus des Bundes zu errichten“. Die kostspieligen Erfahrungen mit dem Bonner Gästehaus Petersberg haben die Regierung zu dem stillschweigenden Rückzieher bewogen. Die hohen BesucherInnen sollen statt dessen in den zahlreichen Hotels im Innenstadtbereich wohnen.

Indes ist dem Vernehmen nach eine vorübergehende Nutzung des Gebäudes, in dem die Hohenzollernkaiser Wilhelm I. und II. geboren wurden, durch das Deutsche Historische Museum (DHM) abgemachte Sache. Der auf der anderen Straßenseite der Linden gelegene DHM-Sitz Zeughaus wird von dem chinesischen Stararchitekten Ieoh M. Pei erweitert und umgebaut. Ab 1998 wird daher Museumsleiter Christoph Stölzl für vier oder fünf Jahre die Seiten wechseln und das Kronprinzenpalais für Expositionen nutzen. Das Palais hat eine Nutzfläche von 1.500 Quadratmetern.

Der Sprecher der Oberfinanzdirektion (OFD), Helmut John, bestätigte, daß das Historische Museum für mehrere Jahre im Palais sein Domizil nehmen wird. Die OFD verwaltet das Gebäude für seinen Eigentümer, Finanzminister Theo Waigel. Das Palais, 1732 für Friedrich den Großen zur Stadtresidenz erweitert und nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg durch die DDR wiedererrichtet, wird seinem neuen Mieter wegen des schlechten Schnitts wenig Freude bereiten. Es gibt darin zwei große Räume mit je 300 Quadratmetern und viele kleine Zimmer. Das hatte schon den Bundespräsidenten abgeschreckt. In den ersten Hauptstadtplanungen noch als Amtssitz des Staatsoberhaupts vorgesehen, hatte man dieses Vorhaben wegen der schlechten Raumaufteilung fallengelassen.

Das bereits in der Weimarer Republik als Nationalgalerie genutzte Kronprinzenpalais wird zum 1. April nächsten Jahres an das DHM übergeben. Dann sind zunächst Umbauarbeiten fällig, um den Ausstellungsbetrieb möglich zu machen. Wieviel der 238 Millionen Mark, die für den Zeughausumbau notwendig sind, auf das Palais entfallen, war gestern nicht in Erfahrung zu bringen.

Die erste Schau im Palais wird nach Angaben des Historischen Museums im Herbst kommenden Jahres „Die Macht des Alters“ (Bazon Brock) sein. 1999 wird zu Ehren Erich Kästners 100. Geburtstag der Bau nicht mehr den Mächtigen, sondern einem Schriftsteller gewidmet sein.

Wer nach dem DHM das Palais an der zentralen Stelle Berlins nutzen wird, ist völlig offen. „Da spiele ich lieber Lotto, als Prognosen abzugeben“, sagte ein Sprecher der Bundesregierung. Christian Füller

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