: Eine Bildungsreform für die Bundeswehr
■ Warum ein Rücktritt Rühes keinen Sinn macht
Nach den rechtsradikalen Vorfällen in der Bundeswehr läge ein Abgang von Volker Rühe nahe. Das befriedigte, vordergründig, das öffentliche Bedürfnis nach Klarheit. Wem aber wäre damit geholfen? Personelle Konsequenzen lenken meist vom Kern des Problems ab. Rühe hat bislang formal den Kriterien politischer Verantwortlichkeit genügt. Er hat seine Untergebenen vor pauschalen Vorwürfen in Schutz genommen, einen Offizier in der Führungsakademie ablösen lassen und weitere disziplinarrechtliche Folgen angekündigt. So weit, so gut. Um das eigentliche Problem der Traditionspflege aber schummelt sich nicht nur Rühe, sondern auch die SPD herum. Sie wird wissen, warum. Auch unter SPD-Verteidigungsminister Leber gab es nur „Einzelfälle“.
Das Problem liegt tiefer. Ein Teil des Offizierskorps selbst tut sich mit einer Abgrenzung zum Rechtsradikalismus schwer. Zwei Fälle seien genannt: 1975 wollte ein Luftwaffengeschwader den rechtsradikalen Oberst Rudel einladen; vor wenigen Wochen stand der Empfang von Ritterkreuzträgern in einer Kaserne auf dem Programm. Beide Male mußte die Hardthöhe intervenieren, um die Treffen abzusagen. Die Führung ahnt, was da in Offizierköpfen herumspukt. Deshalb bleibt eine Befragung unter Offiziersstudenten der Bundeswehrhochschulen bis heute unter Verschluß. Nur soviel ist bekannt: 55 Prozent ordneten sich „rechts der Mitte“ ein, zehn gar als „national-konservativ“. Man ahnt, was herauskäme, wenn die Fragen präziser gestellt worden wären.
Viele Offiziere finden bis heute nichts dabei, die soldatischen Tugenden der Wehrmacht zu rühmen. Es sind wohlgemerkt Angehörige der Nachkriegsgeneration. Sie stehen damit nicht allein. Die Reaktionen auf die Wehrmachtsausstellung zeigten, daß das Bild einer sauberen Wehrmacht auch außerhalb der Kasernen erst langsam bröckelt. In dieser Frage drückt sich die Hardthöhe vor Eindeutigkeit. Einerseits reagiert man empört über eine Traditionsstube in einer Luftwaffenkaserne, in denen Wehrmachtsoffiziere gewürdigt werden, andererseits aber duldet man offiziell einen Offizier, der das Bild seines Großvaters, eines Panzergenerals unter Hitler, in sein Arbeitszimmer hängt. Die Truppe, so der Chef des Bundeswehrverbands, brauche eine „Bildungsreform“, ja „mehr Geschichtsverständnis“. Vor allem: ein anderes. Severin Weiland
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