: Mubarak lauscht der Botschaft aus Theben
■ Die ägyptische Regierung lädt 2.000 Menschen zu einer Gedenkfeier für die Opfer von Luxor
Luxor (taz) – Der alte Hagg Said sitzt etwas verloren auf der Nilpromenade in Luxor. Seit 39 Jahren putzt und poliert er Schuhe, aber seit dem Massaker an Touristen vor drei Wochen ist die Glocke auf seinem Putzkasten, mit der er normalerweise die Reisenden anklingelt, verstummt. Früher, erzählt er, hätte er zwanzig bis dreißig Schuhpaare täglich vom Wüstensand befreit, heute hat noch niemand seine Dienste in Anspruch genommen.
Wenn er jetzt einen der wenigen Ausländer sieht, die sich in die Stadt gewagt haben, bietet er oft eine kostenlose Reinigung des Leders an: „Vielleicht spricht sich so unser guter Wille wieder herum“, hofft der Schuhputzer.
Jeder versucht auf seine Weise, die für die Wirtschaft lebenswichtigen Touristen zurückzuholen. Die ägyptische Regierung zelebrierte in der Nacht zu Donnerstag eine Trauerfeier vor dem 3.400 Jahre alten Tempel der Königin Hatschepsut am westlichen Nilufer, vor dem am 17. November 58 Ausländer ermordet wurden. Unter dem Titel „Eine Botschaft aus Theben“ waren rund 2.000 geladene Gäste erschienen. Polit- und Kulturprominenz, ein Teil des diplomatischen Korps in Kairo, religiöse Oberhäupter, Studentengruppen, lokale Prominenz und nicht zuletzt der Präsident selbst, Husni Mubarak.
Unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen trugen 450 Musiker des Kairoer Symphonie- und Opernorchesters einen Teil aus Verdis Requiem „Tage des Zorns“ vor – gemeinsam mit dem bulgarischen Staatschor, denn unter den getöteten Touristen war auch ein Bulgare. Anschließend wurde auf arabisch eine Botschaft des ägyptischen Literaturnobelpreisträgers Nagib Mahfuz verlesen: „Vom schönen Theben, das der Welt Licht gab, dessen Staub der Welt Schönheit verlieh und dessen Tempel den Seelen der Menschen Heiligkeit und Gerechtigkeit einhauchten... bittet das ägyptische Volk um Verzeihung und spricht sein Beileid aus“, schreibt der 87jährige, der vor drei Jahren selbst nur knapp einem Mordanschlag der militanten Islamisten entkommen war. Mahfuz' Botschaft wurde von dem ägyptischen Schauspieler Omar Sharif auch auf englisch und französisch verlesen.
Um den weltweiten Respekt vor dem menschlichen Leben zum Ausdruck zu bringen, zitierte ein Vertreter der UN-Kulturorganisation Unesco aus dem „Buch der Toten“, einer überlieferten Anleitung der Pharaonen für ihre Reise ins Jenseits: „...Ich habe alles Schlechte aus meinem Herzen genommen und habe keinem Menschen weh getan.“ Die Besucher legten Blumen am Fuß des Tempels nieder.
„Es ist unsere Pflicht als ägyptische Bürger, den Angehörigen unser Beileid und unsere Sympathie auszusprechen. Aber vor allem müssen wir gemeinsam daran arbeiten, daß so etwas nicht noch einmal passiert“, sagte Omar Sharif nach der Zeremonie zur taz. „Die Touristen werden zurückkommen, denn Ägypten hat Dinge zu bieten, die es in keinem anderen Land gibt. Wir müssen nur Geduld haben.“
Gerade die aber dürfte bei dem Schuhputzer und Vater von fünf Kindern, Hagg Said, der einsam am Nilufer auf Kundschaft wartet, bald zu Ende gehen: „Wir sind Bettler geworden, von jetzt an kann uns nur Gott beistehen.“ Karim El-Gawhary
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