: „Pennerverordnung“ erregt Protest
■ Gegen die Ankündigung des Bausenators, unerwünschte Personen aus der Innenstadt zu vertreiben, regt sich Widerstand in den Bezirken
Der Vorstoß, von Bausenator Jürgen Klemann (CDU), „Penner“ und „fliegende Händler“ aus der Innenstadt zu vertreiben, stößt in den zuständigen Bezirken auf Widerstand. „Als völlig absurd“, bezeichnete Schönebergs Bürgermeisterin Elisabeth Ziemer (Bündnisgrüne) Klemanns Vorstoß, per Änderung der Ausführungsvorschriften über die „Sondernutzung öffentlichen Straßenlandes“ unerwünschte Nutzungen durch die Polizei zu unterbinden.
„Das ist weder einleuchtend begründet noch durchführbar“, sagte Ziemer der taz. Wenn man etwa den Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit grundsätzlich verfolge, müßte man konsequenterweise auch gegen süffelnde Touristen vorgehen. Sowohl die Bezirke als auch die Polizei hätten andere Aufgaben, so Ziemer. Schöneberg ist unter anderem für das Straßenland rund um den Wittenbergplatz zuständig.
Skeptisch äußerte sich auch Joachim Zeller (CDU), Bürgermeister von Mitte. Er wisse überhaupt nicht, wie man so etwas in eine Verwaltungsvorschrift kleiden wolle, so Zeller. Im übrigen sei das Phänomen der fliegenden Händler am Pariser Platz der Marktwirtschaft geschuldet. Weil die Touristenbusse mitten auf dem Platz hielten, gebe es auch eine entsprechende Nachfrage, die die Bauchladenhändler bedienten. Solange es diese Nachfrage gibt, so Zeller, werde man das Problem nicht hundertprozentig verhindern können.
Bausenator Klemann hatte Anfang der Woche in einem Bild- Interview das Berliner „Schmuddelimage“ angeprangert. Es passe nicht ins Bild, so Klemann, „daß etwa am Breitscheidplatz den ganzen Tag über Penner lagern, die sich die Hucke vollsaufen“, und fliegende Händler ihre Waren feilböten. In anderen Städten, sagte der Bausenator, „werden solche Personen aufgesammelt und an der Stadtgrenze ausgesetzt“.
Weil bislang alle Versuche, Obdachlose und Bettler über eine Verschärfung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) zu vertreiben, versandet sind, kündigte Klemann an, die Ausführungsvorschrift zur Sondernutzung von Straßenland zu verschärfen. So soll der bisherige Passus, daß die Polizei nur bei „erheblichen Beeinträchtigungen öffentlicher Belange“ einschreiten solle, gestrichen werden. Künftig müßte die Polizei also gegen jede untersagte Nutzung des Straßenlandes, darunter das Trinken von Alkohol in der Öffentlichkeit, vorgehen. Darüber hinaus soll künftig der Betrieb von Bauchläden genehmigungspflichtig werden. Die geänderten Ausführungsvorschriften sollen in Mai dem Rat der Bürgermeister vorgestellt werden. Eine Abstimmung im Abgeordnetenhaus, so die Bauverwaltung, sei nicht nötig.
Doch nicht nur in den Bezirken regt sich Widerspruch gegen den Versuch des Bausenators, eine Regelung, die einmal dazu gedacht war, den öffentlichen Raum vor der Privatisierung durch kommerzielle Nutzung nun gegen unerwünschte Personen und Verhaltensweisen zu wenden. Auch die Polizei erklärte, daß sie nicht dazu da sei, das Berliner Stadtbild zu pflegen. Die SPD bezeichnete Klemanns Vorstoß als „menschenverachtend und töricht“.
Keine Probleme mit dem Klemann-Vorstoß hat dagegen der amtierende Charlottenburger Bürgermeister Helmut Heinrich (CDU). „Wir müssen den Wildwuchs auf dem Breitscheidplatz verhindern“, so Heinrich. Aber auch Heinrich räumte ein, daß mit dem Wegfall des Ermessensspielraums die Polizei künftig auch gegen Touristen, die auf einer Parkbank Bier trinken, oder gegen alkoholisierte Hertha-Fans vorgehen müßte. Das sei allerdings nicht die Personengruppe, die Probleme bereitete. Der Gebrauch der neuen Regelung erfordere deshalb viel Fingerspitzengefühl. Uwe Rada
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