: „Die Luft gehört der Regierung“
■ Interview mit Jens Groeger von Pi-Radio, einem Zusammenschluß freier Radiogruppen, über Radiopiraten und ihre eingeschränkten Möglichkeiten
Sinnflut: Was sind das für Leute, die Piratensender betreiben?
Jens Groeger: Wenn ich jetzt ein Täterprofil beschreiben soll, würde ich sagen, Leute, die Piratensender betreiben, sind schlechtaussehende, verklemmte Leute, die kommunikationsgehemmt sind. Sie suchen deshalb ein Medium, wo sie sich mitteilen und ihre Ideen der Welt verkünden können, ohne gesehen zu werden. Da ist der Piratensender genau das Richtige.
Aber dadurch, daß sie Piratensender betreiben, werden sie kriminalisiert, kriegen eine ganz bestimmte Unterdrücktenmentalität und nehmen sich deshalb bevorzugt unterdrückten Inhalten an. Das können zum Beispiel Musik oder Kunstperformances sein, die nicht mainstreamig bei anderen Sendern gesendet werden.
Piratensender sind strafbar. Was für Strafen gibt es für illegales Senden?
Die Strafen sind ziemlich hart und gehen schon bei kleinen Vergehen los. Allein der Besitz eines Piratensenders ist strafbar. Du mußt ihn gar nicht betreiben, es reicht, wenn du ihn bei dir im Keller einlagerst. Bis zu fünf Jahre Haft werden für solche Angelegenheiten vergeben.
Wer verfolgt Piratensender und weshalb?
Das Absurde ist ja, daß es überhaupt verboten ist, weil die Luft nicht frei ist, sondern der Regierung gehört und von der Telekom verwaltet wird. Diese vermietet dann die Sender zu ziemlich gesalzenen Preisen und ist natürlich auch daran interessiert, sich den Markt aufrechtzuerhalten.
Spätestens dann, wenn andere Sender dadurch gestört werden, verfolgt die Telekom die Piratensender mit Peilwagen, und gegebenenfalls schaltet sich auch der Verfassungsschutz ein. Aber generell habe ich den Eindruck, daß, solange man niemanden durch die Piratensendungen stört, es ziemlich ungefährlich ist.
Gibt es zur Zeit aktive Piratensender in Berlin?
Es existiert nach wie vor das legendäre Radio P, das unregelmäßig sendet. Außerdem gibt es einen Störsender, der die Frequenz 100,6 blockiert und vom Verfassungsschutz gejagt wird. Es gibt zudem eine Radiogruppe, die „Kill Radio Energy“ heißt, allerdings ist es der bisher noch nicht gelungen, Radio Energy wirklich umzubringen. Ganz aktuell ist „Radio Teheran Berlin“, ein Piratensender, der ab und zu mal Underground-Musik sendet.
Was genau ist Pi-Radio e.V.?
Pi-Radio e.V.ist ein Zusammenschluß von verschiedenen freien Radiogruppen, die eine legale Antennenfrequenz bekommen wollen. Außerdem verstehen wir uns als Koordinationsstelle für politische, ökologische und gesellschaftliche Initiativen, die gerne Radio machen möchten, aber nicht die technischen Möglichkeiten dafür besitzen. Wir haben ein Studio dafür, in dem Radiosendungen produziert werden können. Interview: Viola Prüschenk
Alle, die schon immer mal wissen wollten, wie man einen Radiosender bauen kann, können dies auf den Internet-Seiten von pi-radio unter http://piradio.prenzl.net nachlesen.
Tel.: 030/4414142 (AB).
Studio im Kulturzentrum Pfefferberg an der Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg
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