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Pastor wegen Totschlags verurteilt

Klaus Geyer wurde nach einem Indizienprozeß zu acht Jahren Haft verurteilt: Er habe seine Frau nach einem Ehestreit im Affekt erschlagen, befand das Gericht  ■ Aus Braunschweig Bascha Mika

Wir Menschen sind geborene Totschläger, schrieb der Theologe Hans Iwand. Sein Schwiegersohn, der Beienroder Pastor Klaus Geyer, zitierte diesen Satz in einem seiner Briefe aus dem Gefängnis. Nun hat das Verdikt Klaus Geyer eingeholt: Gestern wurde der evangelische Geistliche als Totschläger verurteilt.

Das Braunschweiger Landgericht sieht es als erwiesen an, daß der Pfarrer im Juli vergangenen Jahres seine Frau, Veronika Geyer-Iwand, erschlagen hat. „Der Angeklagte wird zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt“, verkündete der Vorsitzende Richter Peter Kriebel. Damit richtete sich die Schwurgerichtskammer in vollem Umfang nach dem Strafmaß, das die Staatsanwaltschaft gefordert hatte.

Offenbar hatte Klaus Geyer nicht mit einem solchen Urteil gerechnet. Er schlug sich die Hände vors Gesicht und schüttelte immer wieder den Kopf. Staatsanwalt Hennecke lehnte sich zufrieden in seinem Sessel zurück. Verteidiger Börner musterte mit gesenktem Augen den Tisch. Das Publikum verhielt sich – ausnahmsweise einmal – mucksmäuschenstill.

Das Gericht ist davon überzeugt, daß Klaus Geyer am 25. Juli 1997 seine Frau in Braunschweig traf und mit ihr aus der Stadt heraus zum sogenannten Pastorenkamp fuhr. Dort habe der Angeklagte „nach einem vorangegangenen Ehestreit“ seiner Frau zwei Schläge auf den Kopf versetzt, sie dann mit seinem VW-Passat zu einem nahe gelegenenen Waldstück gebracht, ihr dort sieben weitere Schläge ins Gesicht und auf den Hals versetzt und sie damit getötet. „Eine Unverschämtheit“, rief Klaus Geyer da aus, „das kann ich mir nicht länger anhören!“ Dann senkte er den Kopf auf die Arme und weinte laut.

Das Gericht geht von einer Tat im Affekt aus und schloß sich damit den Ausführungen des psychiatrischen Gutachters an, der Klaus Geyer beim Prozeß beobachtet hatte. Eine „minderschwere Tat“, wie die Verteidigung in ihrem Plädoyer gefordert hatte, wollten die Richter allerdings nicht gelten lassen. Das hätte das Strafmaß erheblich gemindert.

In ihrer Entscheidung, fuhr Richter Kriebel fort und richtete seinen Blick dabei immer wieder auf den Verurteilten, stütze sich die Kammer vor allem auf drei Punkte: die Erdreste an den Stiefeln des Angeklagten, die vom Leichenfundort stammten; die Aussage eines Zeugen, der Klaus Geyer in der Nähe des Leichenfundortes gesehen habe; und Geyers Telefongespräch aus einer Zelle in der Nähe des Tatortes. Lange führte Kriebel die Indizienkette zu den Gummistiefeln aus. Weder gebe es einen konkreten Hinweis, daß diese Gummistiefel außer vom Ehepaar Geyer je von einer dritten Person getragen wurden. Noch sei die Getötete selbst damit in den letzten Tagen ihres Lebens in der Nähe des späteren Leichenfundortes spazierengegangen. „Daraus folgert die Kammer, daß der Angeklagte in den Stiefeln am Leichenfundort gewesen sein muß.“ Erneut schüttelte Klaus Geyer den Kopf.

Noch bei seinem Schlußwort vor der Urteilsverkündung hatte er erneut seine Unschuld beteuert. „Das macht doch keinen Sinn. Ich versuche doch nicht, mir die Nähe von zwei Menschen zu holen, nach so einer Bluttat“, sagte er in Anspielung auf den sexuellen Kontakt mit ehemaligen Geliebten kurz nach dem Verschwinden seiner Frau. „Ich ziehe doch nicht zwei Leute in so eine Geschichte hinein.“ Er sprach kurzatmig und stockend, einmal versagte ihm die Stimme, von der früheren Wortgewandtheit des Kanzelpredigers war nichts mehr zu spüren.

Zuvor hatte die Verteidigung zum letzten Mal versucht, den Spruch abzuwenden und ein weiteres Gutachten einzufordern. Das Gericht lehnte den Antrag ab.

Der Fall Klaus Geyer wird in die Annalen der Rechtsgeschichte eingehen. Nicht nur, weil hier zum ersten Mal in der Bundesrepublik ein Geistlicher wegen eines solchen Gewaltverbrechens verurteilt wurde. Sondern auch, weil es einer dieser reinen Indizienprozesse ist, bei denen der Angeklagte bis zum Schluß seine Schuld bestritt.

Daß auch nach dem Urteilsspruch noch viele Fragen offenbleiben, ist nicht den Braunschweiger Richtern zum Vorwurf zu machen. Sie hätten sich kaum ernsthafter bemühen, kaum sorgfältiger vorgehen können. Aber was wirklich an diesem 25. Juli 1997 zwischen Klaus Geyer und seiner Frau geschah, haben auch sie nicht aufklären können.

Die hannoversche Kirche reagierte nach der Entscheidung des Gerichts schnell. Sie teilte mit, daß eine kirchliche Disziplinarkammer über das Schicksal Klaus Geyers als Pfarrer befinden werde. Höchstwahrscheinlich wird er „aus dem Dienst entfernt“, wie es im Jargon der Kirchenjuristen heißt, und damit auch den Anspruch auf seine Pfarrerpension verlieren. Hannovers Landesbischof Horst Hirschler nannte das Urteil und die bei den Ermittlungen zutage getretene persönliche Lebensführung Geyers „sehr belastend für uns als Kirche“.

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