: Verfassungsschutz soll Karten auf den Tisch legen
■ Hoher Polizeibeamter, der im Verdacht der Scientology-Mitgliedschaft steht, verlangt per Strafanzeige vom Verfassungsschutz die Offenlegung seiner Quellen. Wenig Aussicht auf Erfolg
Der der Scientology-Mitgliedschaft bezichtigte leitende Polizeibeamte Otto D. ist in die Offensive gegangenen. Wie berichtet, wird der Polizeidirektor vom Verfassungsschutz der Mitgliedschaft in der Psychosekte bezichtigt. Nach Angaben seines Anwaltes Johann Schmid-Drachmann hat Otto D. gegen den Verfassungsschutz jetzt Strafanzeige wegen übler Nachrede, Beleidigung und Verleumdung erstattet. In dem Fall steht Aussage gegen Aussage, denn der 53jährige gibt an, nie Mitglied bei den Scientologen gewesen zu sein. Ein Sprecher der Sekte hat dies gegenüber der Presse bestätigt.
Außerdem klagt der bisherige Leiter des polizeilichen Lagezentrums beim Verwaltungsgericht, der auch CDU-Mitglied in der Zehlendorfer BVV ist, gegen seine Ablösung von seiner Leitungsfunktion durch den Polizeipräsidenten. Otto D. fühlt sich als Opfer einer Intrige. Die Zweifel in dem Fall können nur ausgeräumt werden, wenn das Gericht den Verfassungsschutz zwingt, die Quellen für seine Erkenntnisse offenzulegen. Das geschieht in der Regel jedoch nicht, wie die Praxis in der Vergangenheit gezeigt hat. Die einzige Ausnahme geschah im Schmücker-Verfahren.
Otto D. war Ende März in einem an Innensenator, Polizeipräsidenten und Gesamtpersonalrat gerichteten, anoymen Brief bezichtigt worden, als führendes Mitglied der Berliner Scientologen einen aussteigewilligen Polizeikollegen genötigt zu haben. Die Staatsanwaltschaft leitete daraufhin ein Ermittlungsverfahren gegen D. wegen Verdachts der Nötigung ein und durchsuchte dessen Wohnung und Diensträume. Belastende Indizien wurden aber nicht gefunden. Nach Angaben von Justizsprecherin Michaela Blume will die Staatsanwaltschaft das Verfahren in Kürze abschließen.
Zeitgleich mit der Aufnahme der Ermittlungen wurde Otto D. vom Polizeiprädidenten von seiner Leitungsfunktion entbunden und mit Sonderaufgaben betraut. Er darf nicht mehr an der Führungsrunde des Polizeipräsidenten teilnehmen, und seine für Ende Mai geplante Beförderung wurde auf Eis gelegt. Die Ablösung von der Leitungsfunktion hat der Polizeipräsident gegenüber dem Verwaltungsgericht mit dem Verfassungsschutzhinweis auf die Sektenzugehörigkeit von Otto D. begründet.
Die Quelle für die „mit geheimdienstlichen Mitteln“ zustande gekommenen Erkenntnisse will der Polizeipräsident jedoch nicht preisgeben und begründet dies mit den schützenswerten Belangen des Landes Berlin. Damit will sich Anwalt Schmid-Drachmann aber nicht zufriedengeben. „Ein faires, rechtsstaatliches Verfahren ist nur dann gewährleistet, wenn alle Erkenntnisse auf den Tisch gelegt werden.“ Mit dem Antrag auf Offenlegung von Verfassungsschutzquellen haben sich in Berlin allerdings schon viele Anwälte beim Verwaltungsgericht die Zähne ausgebissen. Man habe damit „fast nie Erfolg“, haben die Anwälte Christian Ströbele und Hans-Joachim Ehrig immer wieder erfahren. Rechtsanwalt Harald Reme weiß, daß in den Akten „unheimlich viel Müll“ steht. Er bekam in den 70er Jahren einen Einblick, als der Verfassungsschutz seine im Zuge des Radikalenerlasses vorgenommenen Erkenntnisse über Lehrer auf Geheiß der regierenden SPD offenlegen mußte.
Daß in den Akten des Verfassungsschutzes aber nicht nur Dichtung, sondern auch Wahrheit stehen kann, hat der sich über 15 Jahre und vier Verfahrensgänge hinziehende Prozeß um die Ermordung des Studenten Ulrich Schmücker bewiesen. Nach zahlreichen vergeblichen Anläufen setzten die Verteidiger Mitte der 80er Jahre schließlich beim Bundesverwaltungsgericht durch, daß die Verfassungsschutzakten offengelegt und zwei V-Leute als Zeugen benannt werden mußten. Nur so gelang es, die schon lange gehegte Vermutung zu belegen, daß der Verfassungsschutz tief in den Mordfall verstrickt war. Plutonia Plarre
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