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Die letzte große Schlacht

■ "Ratlos und verzweifelt": Die rechte Wochenzeitung "Junge Freiheit" steht wieder vor dem Aus

Der Eilbrief aus Berlin endete, als stünde Dieter Stein vor einem Erschießungskommando: „Es lebe Deutschland, unser Vaterland! Wünschen Sie uns Glück.“ Das nationale Pathos, mit dem sich Dieter Stein, Geschäftsführer bei der rechten Wochenzeitung Junge Freiheit an den Unterstützerkreis („Freunde der Jungen Freiheit“) wandte, hat handfeste Gründe.

Dem Blatt, das 1986 von Freiburger Studenten gegründet wurde und seit Jahren Aufnahme im NRW-Verfassungsschutzbericht findet, droht wieder einmal das Aus.

In dem Zweiseitenbrief vom 20. August, der der taz vorliegt, muß Stein zerknirscht einräumen, daß die Junge Freiheit (JF) „jetzt durch die größte Krise ihrer Geschichte“ gehe. Er sei „ratlos und verzweifelt“. Am 17. August hatte ihm die Buchhalterin mitgeteilt, daß die Liquidität nicht mehr ausreiche. Der „Fortbestand“ der Zeitung sei „gefährdet“, zitiert Stein seine „neue, tüchtige“ Buchhalterin in dem Bettelbrief.

Eigentlich wollte die Zeitung mit Autoren wie Rechtsaußenhistoriker Ernst Nolte und CDU- Rechtsausleger Heinrich Lummer, mit Idolen wie Österreichs Jörg Haider und Sympathisanten der Republikaner bis zum rechten Rand der Unionsparteien, die neurechte „konservative Wende“ publizistisch anführen, als sie Anfang der 90er Jahre als Wochenblatt begann. Doch nun mußte Stein die Seitenzahl um zwei auf jetzt 18 reduzieren, von 15 Mitarbeitern müssen fünf bis Monatsende gehen. Dadurch will der Geschäftsführer und Chefredakteur 320.000 Mark pro Jahr einsparen. Ins Trudeln kam die Zeitung laut Stein vor allem, weil die Abonnenten nicht zahlen. Die Forderungen beliefen sich auf „eine sechsstellige Zahl“, sagte er der taz.

Mit einer Rettungskampagne hatte der stets klamme Verlag 1997 rund 1.500 neue Abonnenten gewonnen und damit 400.000 Mark eingenommen. Ähnlich viel erhoffte sich Stein auch für dieses Jahr. Doch die Zahlen stagnieren. „Ich habe mir zu große Hoffnungen gemacht“, räumt Stein ein.

Die Kampagne unter den „Freunden der Jungen Freiheit“, wo sich laut Stein vor allem Abonnenten engagieren, soll jetzt schnell frisches Geld bringen. Die Spendenbereitschaft sei „groß“, behauptet der Chefredakteur. Der Kreis wurde schon öfter angebettelt: Seit 1996 hat er nach Verlagsangaben rund eine Million Mark gespendet. Als ginge es in die letzte große Schlacht, fleht Stein nun um Hilfe: „Auch wenn Sie niemals wieder helfen werden, bitte tun sie es jetzt noch ein einziges Mal.“

Noch im Juni hatte er in Eigenanzeigen ein positives Bild gezeichnet. Von einem stetigen Rückgang der Verluste von 450.000 Mark im Jahr 1995 auf voraussichtlich 150.000 Mark in diesem Jahr war da die Rede, von einer Steigerung des Umsatzes auf nunmehr 2,5 Millionen Mark. In der Vergangenheit hatten 200 Fans rund 1,2 Millionen Mark zur Kommanditgesellschaft der JF beigesteuert. Doch die Einlagen seien „fast aufgebraucht“, so Stein gegenüber der taz. Wirtschaftliche Schwierigkeiten sind den Lesern wohl bekannt. Erst im Frühjahr hatte die Staatsanwaltschaft Potsdam ein Ermittlungsverfahren wegen Konkursverschleppung gegen Stein eingestellt. Vorausgegangen war eine Strafanzeige seines Intimfeinds Götz Meidinger, einst zweiter Geschäftsführer. Der hatte sich mit Stein aus ideologischen Gründen überworfen. Denn unter Steins Führung versucht die JF, aus der rechtsradikalen Schmuddelecke herauszukommen und sich im rechtsbürgerlichen Lager Gehör zu verschaffen. Die Zahl der Interessenten hält sich aber in Grenzen. 1997 zählte man laut Spiegel 6.700 Abonnenten und rund 3.000 Kioskkäufer – neuere Zahlen verweigert Stein beharrlich.

Ausgerechnet der DVU-Erfolg in Sachsen-Anhalt verschärfte die Krise. In dem Bemühen, sich abzugrenzen, hatte Stein die Partei als „Westentaschen-Machiavellis“ bezeichnet. Auch die angeblichen DVU-Kontakte des Ex-Grünen Alfred Mechtersheimer wurden gegeißelt. So viel Absetzbewegung quittierten erboste Rechtsleser auf ihre Weise: Sie kündigten ihre Abos. Severin Weiland

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