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Doppelspiel des Musterknaben

Dänemark gilt bei der Ökosteuer als EU-Vorreiter. Doch die Regelung hat große Schlupflöcher für Industrie und Verkehr. Das Klimaziel wird nicht erreicht  ■ Aus Kopenhagen Reinhard Wolff

Gerhard Schröder erwähnte in seiner Regierungserklärung beim Thema der grünen Steuerreform ausdrücklich das Nachbarland Dänemark. Immerhin hat Kopenhagen schon 1993 ein neues Steuerkonzept entworfen, das ähnlich dem deutschen System den Ausstieg aus der Besteuerung der Arbeit und den Einstieg in die Besteuerung von Energieverbrauch und Umweltbelastung bringen soll. Anders als in Deutschland aber förderte keine Regierung mit grünem Anstrich das Konzept, sondern konservative wie sozialdemokratische Kabinette. Ökosteuern sind deshalb politisch nicht mehr umstritten, aber auch wirkungsloser als ursprünglich erwartet.

Dänemark sah sich zu Beginn der neunziger Jahre vor einem Problem: Es gab keine Wasserkraftvorkommen, und der Einstieg in die Atomenergie war 1985 abgelehnt worden. Kohle-, gas- und ölgefeuerte Kraftwerke waren und sind nahezu die einzigen Stromerzeugungsquellen. Trotzdem hatte sich das Land verpflichtet, den CO2-Ausstoß des Landes massiv zu reduzieren. Die Kraftwerke zu reinigen und die Industrie zum Stromsparen zu veranlassen, schien am besten über eine neue CO2-Steuer zu erreichen. Ein ganzes Paket „grüner Abgaben“ wurde zusammengeschnürt, das Privathaushalten wie Industrie einmalige kräftige Steueraufschläge (Verpackungsmaterial und Abfall) oder jährlich stetig anwachsende (Strom, Benzin, Diesel, Kohle, Wasser) brachte. Gleichzeitig wurde die Einkommensteuer gesenkt, was Niedrigverdienenden wenig, hohen Einkommen aber eine kräftige Reduzierung des Höchststeuersatzes brachte. Zehn Prozent der Staatseinnahmen kommen jetzt aus „grünen Steuern“ – das Einkommensteueraufkommen ist um etwa den gleichen Satz geschrumpft. Bis 2005 will der Fiskus 25 Prozent des Budgets über Ökosteuern einziehen.

Eine bessere Umwelt und neue Jobs hatte die sozialdemokratische Regierung im Oktober 1994 als Resultat der grünen Steuerreform angekündigt. Beide Versprechungen wurden bislang nur bedingt eingelöst. Weil die CO2-Reduzierung nur langsam vorangeht, soll der Ausstoß des Gases statt um 20 Prozent bis 2005 jetzt um 25 Prozent bis 2010 reduziert werden. Grund ist zum einen der Autoverkehr: Benzinpreiserhöhungen haben die AutofahrerInnen nicht die Lust am Privatvehikel verleidet. Trotz grüner Steuerreform ist Benzin kaum teurer als in Deutschland, Diesel sogar deutlich billiger. Um das Klimaziel auch im Verkehr zu erreichen, müßten nach Ansicht von Experten die Steuern in fünf Jahren auf etwa 2,70 Mark pro Liter Benzin angehoben werden. Und dazu fehlt auch in Dänemark der politische Mut. Die Regierung will nun verstärkt über die EU die Autoindustrie zum Bau spritsparender Autos drängen.

Schon vor Jahren hat die Internationale Energieagentur (IEA) den DänInnen ein „perverses Doppelspiel“ beim Klimaschutz vorgeworfen: Was als Ökosteuer eingenommen wird, geht auf der Ausgabenseite teilweise bis zu drei Viertel an die energiefressende Industrie über Steuererleichterungen und Subventionen zurück. Die Begründung: Man könne im Alleingang keine zu massiven Auflagen und Steuerlasten durchdrücken, sonst werde die Industrie ins „dreckigere“ Ausland abwandern, was Arbeitsplätze koste und der globalen Umwelt auch nichts bringe. Die Warnungen der dänischen Industrie vor einer „Giftspritze für die Konjunktur“, die Jobs gefährde, hat zu vielfältigen Ausnahmeregelungen geführt.

Die grünen Steuern haben neue Branchen für effiziente Produktionsmethoden oder Filteranlagen befördert, mit denen im Export gut verdient wird. Fast 4.000 Windmühlen schnurren im Land, bis 2010 soll der Wind zehn Prozent des Strombedarfs decken. Die Propeller sind die besten Referenzobjekte für den Exportmarkt, auf dem dänische Firmen mehrere hundert Millionen Mark im Jahr umsetzen und mehr als 10.000 neue Jobs geschaffen haben.

Wenn es nach Umweltminister Svend Auken geht, werden die grünen Steuern in weiteren zehn Jahren Industrie, Energieversorgung und Verkehr entscheidend umgestaltet haben. Die CO2- Steuer von derzeit knapp 28 Mark soll bis 2002 um 25 Prozent erhöht werden und die Ausnahmen zum großen Teil verschwinden. Die schlimmsten Kraftwerk-Dreckschleudern sollen abgeschaltet werden, die Förderung erneuerbarer Energien soll weitergehen. Verschwommen sind die Pläne für die Eindämmung des Straßenverkehrs. Hier allerdings entscheidet sich, ob der Musterknabe Dänemark seinem eigenen Anspruch gerecht wird.

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