Fußfessel: Von Kühen zu Strafgefangenen

■ Bundesrat: Der elektronisch überwachte Hausarrest wird als Modellversuch eingeführt

Berlin (taz) – Eigentlich fing alles mit den Rindviechern an. „Boulder Industries“, eine US-amerikanische Elektronikfirma, stellte 1982 erstmals einen Sender zur Identifizierung von Milchkühen vor. Den Tieren wurde ein Transmitter um den Hals gehängt, dessen codierte Signale aufgefangen wurden, wenn die Kuh ihren Kopf durch ein Futterloch steckte. So identifiziert, erhielt das Tier seine ihm zugemessene Portion Futter mechanisch ausgeschüttet.

Zwar werden auch immer noch Rinderherden überwacht – den großen Umsatz bringt heute aber die Sparte der elektronischen Überwachung von Hausarresten. Allein in den USA tragen 70.000 verurteilte Straftäter einen Sender von der Größe einer Zigarettenschachtel am Knöchel – mit einem Marktanteil von 90 Prozent ist BI weltweit die Nummer eins im Geschäft mit der elektronischen Fessel. Und der Markt expandiert.

Auf Antrag des Bundeslandes Berlin will der Bundesrat heute eine Gesetzesinitiative auf den Weg bringen, mit der die Überwachung des Hausarrestes – zunächst als Modellversuch – auch in der Bundesrepublik möglich werden soll. Baden-Württemberg, Hessen und Hamburg wollen für den Probelauf die Fußfessel noch in diesem Jahr anschaffen. Der Antrag zielt darauf ab, durch eine Ergänzung des Strafvollzugsgesetzes den Ländern für einen Zeitraum von vier Jahren die Möglichkeit zu eröffnen, Gefangene unter elektronisch überwachten Hausarrest zu stellen. Es geht um Knackies, die zu einer kurzen Freiheitsstrafe verurteilt worden sind oder die nur noch sechs Monate ihrer Strafe zu verbüßen haben. Voraussetzung: Es darf keine Flucht- oder Mißbrauchsgefahr bestehen.

Den Straftätern soll die Möglichkeit eingeräumt werden, so der Gesetzesantrag, weiterhin ihrer Arbeit nachzugehen, so daß sie ihren Unterhaltspflichten nachkommen und den von ihnen verursachten Schaden zumindest materiell wiedergutmachen können. Ein Argument der Befürworter der Fußfessel ist weiter, daß die Gefangenen im Hausarrest mit dem kriminellen Milieu in den Justizvollzugsanstalten nicht in Kontakt geraten sollen. Der Arretierte unterliegt einem strengen Alkohol- und Drogenverbot, das Mitarbeiter der Justizbehörden mit nicht angemeldeten Besuchen durchsetzen sollen.

Freimütig wird in der Gesetzesvorlage als Grund für die Einführung der Fußfessel aber auch die „beunruhigend“ stark angestiegene Zahl der Inhaftierten in den Knästen (1995: 68.058) angegeben, auf die „nicht ausschließlich mit dem Bau weiterer Justizvollzugsanstalten reagiert werden kann“. Die Befristung auf vier Jahre dient dazu, das neue kriminalpolitische Instrument auf seine Wirksamkeit zu erproben.

Kritiker des überwachten Hausarrests gibt es zuhauf. So hat sich etwa das noch von der letzten Regierung eingesetzte Expertengremium zur Sanktionsreform unter Vorsitz von Horst Eylmann (CDU) einstimmig gegen den Einsatz der Fußfessel ausgesprochen. Erfahrungen im Ausland haben gezeigt, daß die Umsetzung der Überwachung ausgesprochen aufwendig ist, so daß die Kosten im Vergleich zur Haft mitunter steigen. Vor allem rügen die Kritiker aber eine Ungerechtigkeit beim neuen Sanktionsmodell. Wer sich für die anstehenden Modellversuche qualifizieren will, der muß schon zur Oberklasse der Verurteilten gehören. „Sozial integriert“ muß er sein und, wie in Hamburg geplant, ein festes Arbeitsverhältnis nachweisen. Die Voraussetzungen kann aber nur ein kleiner Teil der Inhaftierten erfüllen.

Der Gesetzesentwurf dürfte heute eine Mehrheit finden. Zum einen hat der federführende Rechtsausschuß empfohlen, den Gesetzentwurf „nach Maßgabe einiger Änderungen beim Deutschen Bundestag einzubringen“. So sollen zum Beispiel die erwachsenen Personen im Haushalt des Überwachten der Maßnahme noch schriftlich zustimmen müssen. Und eine weitere Änderung soll sicherstellen, daß die Justizverwaltungen die Kosten der elektronischen Überwachung tragen, während der Überwachte für seinen Lebensunterhalt selber aufkommen muß. Wolfgang Gast