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Die wollen, dass man resigniert“

■  Ermittlungen zum Anschlag auf Steinmetzfirma konzentrieren sich auf möglichen Bezug zur Schändung des Jüdischen Friedhofs in Weißensee. Vage Täterbeschreibung vorhanden

Auch gestern fehlte noch jede Spur von den Tätern, die vor knapp zwei Wochen das Lager eines Steinmetzen zerstörten (siehe taz von gestern). Zusammen mit einer zweiten Firma hatte der Steinmetz unentgeltlich Grabsteine repariert, die Anfang Oktober auf dem Jüdischen Friedhof in Weißensee zerstört wurden. Nach Angaben des Leiters der Polizeipressestelle, Hans-Eberhardt Schultz, konzentrieren sich die Ermittlungen darauf, ob es einen Zusammenhang zwischen den Taten gibt.

In der Nacht vom 3. auf den 4. Oktober zerstörten und beschädigten bisher Unbekannte 105 Grabsteine auf dem Friedhof in Weißensee, dem größten in Europa. Einen Tag später waren die Steinmetzfirmen vor Ort. Wiederum zwei Tage später erhielt der jetzt Geschädigte vier Drohanrufe. Wenn er nicht aufhöre, werde man ihn erschießen oder erschlagen. Daraufhin wurden ihm Schutzmaßnahmen zuteil, die die Polizei nicht konkret benennen will. Diese wurden elf Tage später jedoch eingestellt, weil keine weiteren Anrufe eingingen. In der Nacht vom 19. auf den 20. November schließlich zerstörten Unbekannte etwa 150 Grabsteine im Lager des Steinmetzen in der Nähe des Friedhofes. Am 22. November übernahm der Staatsschutz die Ermittlungen.

Der Schaden beläuft sich auf 80.000 Mark. Eine Versicherung für sein Lager hat der Steinmetz nicht. Während es für die Schändung des Friedhofes keine Zeugenaussagen gibt, gibt es bei dem Anschlag auf das Steinmetzlager vage Personenbeschreibungen. Ein Zeuge hat zwei flüchtende Jugendliche beobachtet.

Neben dem geschädigten Steinmetzen engagierte sich auch die Firma von Siegfried Pototzki aus Mariendorf auf dem Friedhof. Dass seine Firma nicht Ziel eines Angriffs wurde – dafür hat Pototzki eine einfache Erklärung: „Wir liegen zu weit weg.“ Pototzki sieht ganz eindeutig einen Zusammenhang mit der Friedhofsschändung. „Es müssen nicht die gleichen Täter gewesen sein, aber gefühlsmäßig sind sie der rechten Szene zuzuordnen.“ Der Grund: „Die wollen ja treffen.“ Pototzki betont, dass auch er sich nicht einschüchtern lässt. „Die wollen doch, dass man den Mund hält und resigniert.“ Und: „Davon leben wir.“

Am vergangenen Mittwoch hatte sich die Jüdische Gemeinde bei den Mitarbeitern der Steinmetzfirmen mit einem Abendessen bedankt. Dabei hatte der Vorsitzende Andreas Nachama sein Bedauern über den Anschlag auf die Firma ausgedrückt. B. Bollwahn de Paez Casanova ‚/B‘Die Amadeu Antonio Stiftung hat ein Spendenkonto für den Steinmetzen eingerichtet. Sie ist unter Tel. 28 39 05 43 zu erreichen.

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