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Amtsleiter vorerst beurlaubt

Behördenchef besuchte Veranstaltung, in der krude Thesen über den „Juden Konrad Adenauer“ und den angeblichen Fortbestand des Dritten Reichs verbreitet wurden

BERLIN taz ■ Nach einer rechtsextremen Veranstaltung hat die Stadt Anklam ihren Ordnungsamtsleiter vorerst beurlaubt. Der Behördenchef hatte privat an dem Vortragsabend in der mecklenburgischen Kreisstadt teilgenommen. Obwohl in Reden der Holocaust geleugnet wurde und antisemitische Thesen verbreitet wurden, schritt der Chef des Ordnungsamts nicht ein – im Gegenteil. Ein anwesendes Fernsehteam des Norddeutschen Rundfunks (NDR) interviewte den Behördenchef in der Pause nach seiner Haltung zu der vorgetragenen These, das Deutsche Reich bestehe noch immer. Dessen Antwort: Die Theorie sei „sehr interessant“. Außerdem müsse man sich heutzutage „fragen, ob der Staat für die Mehrheit der Bürger noch funktioniert“.

Augenzeuge der Veranstaltung war auch Günther Hoffmann vom Anklamer Verein „Bunt statt Braun“. Er berichtet, das Publikum habe den rechtsextremen Rednern „heftigst applaudiert“ – obwohl diese über den „Juden Konrad Adenauer“ schwadronierten und berichteten, wie sich die Siegermächte bis heute aus den deutschen Staatskassen bedienten. Keiner der Anwesenden habe etwas entgegnet.

Zu dem Abend in einer Anklamer Gaststätte hatte die Stralsunder Industry Consulting Group eingeladen. Sie bietet laut Hoffmann nicht nur Unternehmensberatung an, sondern ist auch beim Verfassungsschutz bekannt für krude rechtsextreme Thesen. Laut NDR ermittelt die Staatsanwaltschaft Berlin gegen einen der Redner bereits wegen Volksverhetzung. Zwei Beamte des Staatsschutzes sollen bei der Veranstaltung in Anklam zugegen gewesen, aber nach der Pause gegangen sein.

Der Chef der Anklamer SPD-Fraktion, Uwe Schultz, zeigt sich auch nach der vorübergehenden Beurlaubung des Amtsleiters „schockiert“. Im Hauptausschuss der Stadt votierten nur drei von sieben Politikern für die Sanktion, zwei waren dagegen, zwei enthielten sich. „Man fand sein Verhalten nicht so schlimm“, berichtet Schultz fassungslos. „Dieser Fall wirft erneut kein gutes Bild auf unsere Stadt.“

Die Anklamer Region gilt als Neonazi-Hochburg. Bei der Landtagswahl im Herbst hatte die NPD in einigen Dörfern im Anklamer Umland bis zu 38 Prozent der Stimmen erlangt. Für den SPD-Mann Schultz zeigt der aktuelle Fall, „wie weit rechtsextreme Thesen hier bereits in die Mitte der Gesellschaft vorgerückt sind“. ASTRID GEISLER

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